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IARVARD-UNMWVERSITY.

IRDIBSIRIN EINE

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MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLO@GY. Kr\a inl.

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M 12,207]

Ey / STRATIGRAPHISCHE UND PALÄONTOLOGISCHE STUDIE En Dis II BRAÄRN

KUS.CONRZOCLRGN

DEUTSCHE UND DAS ALPINERHÄT.

INAUGURAL-DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER DOCTORWÜRDE VORGELEGT DER HOHEN PHILOSOPHISCHEN FAGULTÄT DER UNIVERSITÄT JENA VoN ERNST H. ZIMMERMANN AUS

GERA (REUSS J. L.).

GERA, DRUCK VON ISSLEIB & RIETZSCHEL. 1884.

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Inhaltsübersicht.

Seita in ENTE oe ee er ME EN REES © SURR I RESET ER | Darstellung des stratigraphischen und paläontologischen Verhaltens des

deutschen Rhät. A. Das norddeutsche Rhät. DasıRhatıherothasr ar a ee Be a et 22 BU BISeNaChTL re ee EN) = aımS ERtILONEN era is nee rGottingenmran.. A ee ee Se ne Deitersenae era. EN en ee ed a se 1m) Wesergebirge: 7728 EN. ers. Sa ee 3 » sure Eildesheimt. a an u ee ee SEN a N 5 von Senstedtiein ea ee ee a ls er mL berschlestenwses ee

B. Die verschiedenen, paläontologisch unterscheidbaren Schichten des norddeutschen Rhät und die auf sie gegründete Gliederung

desselben. Die, Pllanzenschichten. 53... 8.2 va EB ee er al Die; Bivalvenschichten®; en 2... vu er na Die Bonebeds . . . . 27 Anhang: Beweis für die Sein ae ee oralen chen Pihätmeerese mern, 2 NE ee Re 2 C. Das süddeutsche Rhät. Das Rhät bei Langenbrücken 34 » „m. Württemberg 7.2.2. BO A: = amGrossen Gleichberg bei Mengen ; 38 In Franken! ».. ur sol, 2 Weser Seele SCHiu sat ta a era "SRSURR. NS Darstellung des stratigraphischen und paläontologischen Verhaltens des AUNREDERDAL A ES en ee A. Das nordalpine Rhät. Das Rhät in der Nordschweiz . : : . 2 2 2.22.2020. 42 b, a ee Vrächweiz .. ar er. ae nA » den tiroler und be nchen pn EN WA AD

» we skterreichischens Alpen; ie au. ie... 00,01

B. Das Rhät in Ungarn .

C.

Das Rhät in den Südalpen .

Die Faunen des Rhät . .

Schluss

A.

Die Fauna der schwäbischen Facies (Suess); Beziehungen des alpinen und des deutschen Rhät zu einander und zu Trias und Jura Er

Fauna der karpathischen Facies (Suess) . .

Die Fauna der kössener Facies (Suess)'

Die Fauna der Starhembergschichten SB

Die Fauna des oberen Dachsteinkalkes (Gümbel) .

Die Fauna der salzburger Facies (Suess) . . ...-

Vertikale Reihenfolge der verschiedenen Faunen; ihr chorologisches

Verhältnis; chronologischer Werth des Rhät .

64 67

70

71 79 84 87 89 90

90 97

Im Jahre 1856 machten Oppel und Suess!) die für die histo- rische Geologie der Alpen wie Deutschlands hochbedeutsame Ent- deckung, dass die „Kössener Schichten“, welche zuerst L. v. Buch in den bayrischen Alpen aufgefunden hatte, und welche dann zu einem „Ariadnefaden in dem scheinbaren Labyrinth des deutschen Alpenkalks‘“?) geworden waren, gleichaltrig seien mit Bildungen, welche anderwärts zwischen dem als normales Glied der Formationenreihe geltenden Keuper und dem Lias gefunden worden waren, u. a. mit dem irischen und englischen „Bonebed“ und dem „Täbinger Sandstein“ Albertis in Schwaben.

Diese Entdeckung Oppels war deshalb von so grosser Be- deutung, weil sie nicht nur die Grundlage enthielt für weitere Nachweise der ausgedehnten Verbreitung einer wegen ihrer meist geringen Mächtigkeit unwichtig erschienenen Schicht durch ganz Mittel- und einen Theil Nordeuropas, sondern noch vielmehr dadurch, dass sie zum ersten Male die Parallelisirung einer alpinen Schichten- reihe mit einer ausseralpinen ermöglichte, zum ersten Male also Anhalt bot zur ungefähren Altersbestimmung der Alpenkalke, welche sich derselben bisher stets widersetzi hatten, weil die Versteine- rungen darin meist ganz eigenartige waren und ganz anderen Regeln als in Deutschland, oder wie Schafhäutl sogar annahm, gar keiner Regel in ihrem Vorkommen zu gehorchen schienen. Durch die Arbeit von Oppel und Suess wurde also der erste Lichtstrahl auf die bisher dunkle Chronologie der Alpenformationen geworfen.?)

!) Oppel und Suess, Ueb. d. muthmassl. Aequiv. d. Köss. Schichten in Schwaben. Sitzber. d. math. naturw. Klasse d. k. k. Acad. d. Wissensch. 1856, Bd. 21, S. 535.

2) Emmrich, Brief an Beyrich, in Zeitschr. d. d. geol. Ges. 1849, S. 104.

3) Wie sehr hat sich seitdem der Standpunkt verschoben! Jetzt sagen umgekehrt viele Geologen: die Entdeckung Oppels gibt uns einen Anhaltpunkt, die germanische, anormale Triasentwickelung mit der normalen der Alpen in chronologische Beziehung zu bringen!

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Angeregt durch diese Entdeckung erforschten nun am Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre die Geologen aller Länder in eifrigster Weise die geographische Verbreitung, die stratigraphi- schen und die paläontologischen Verhältnisse der „Zone der Avicula contorta‘“ (Contortaschichten), wie man nach einer weit verbreiteten, charakteristischen Versteinerung die „Kössener Schichten“, das „Bo- nabed‘, den „Täbinger Sandstein“ u. s. w. nach Oppels Vorgang zusam- menfassend bezeichnete; und schon 1864 war die Kenntnis unsrer Schichten soweit gefördert, dass die werthvolle Monographie A. v, Ditt- mars „Die Contortazone (Zone der Avicula contorta Portl.), ihre Ver- breitung und ihre organischen Einschlüsse“ nebst einer Karte der Verbreitung dieser Zone erscheinen konnte.

Seitdem erschienen nun zwar noch eine grosse Anzahl weiterer Bemerkungen und Abhandlungen über die „rhätischen Schichten“ oder das Rhät (ein jetzt vor allen andern infolge seiner Kürze ein- gebürgerter Name, den Gümbel 1858 für die Zone der Avicula contorta vorgeschlagen hat), aber es bezeichnet das Jahr 1364 doch insofern das Ende einer Epoche in der Geschichte unsrer Kenntnis über das Rhät, als seit demselben kaum noch eine Erweiterung, sondern fast nur noch eine Vertiefung dieser Kenntnis möglich war.

Die Epocne zwischen 1856 und 1864 ist aber nun insbesondere dadurch ausgezeichnet, dass die sehr zahlreich in derselben erschiene- nen Abhandlungen über das Rhät neben der Darstellung der beob- achteten Thatsachen fast stets noch eine in lebhafter, ja gereizter Weise geführte Erörterung der Frage enthielten, welche Stellung und welcher Rang dieser Formation in der Reihe der übrigen ge- bühre, d. h. welchen Grad von Selbständigkeit dieselbe besitze und mit welcher Schichteugruppe sie auf gleiche Stufe zu stellen sei, mit dem gesammten „System“ der Trias oder des Jura, oder nur mit einer „Abtheilung‘ dieser „Systeme“ (Muschelkalk, Keu- per, Lias u s. w.), oder ob sie gar nur den Rang’ einer „Stufe') (des oberen Keupers, des unteren Lias u. s. w.) bean- spruchen könne, uud welchem System, bez. welcher Abtheilung eines Systenis sie eventuell dann zuzuweisen sei. Nach dem Er- gebnis dieser Erörterung richtete sich dann auch der neue Name,

I) Diese diei erst 1882 auf dem internationalen Geologencongress zu Bo- logna festgesetzien Namen „System“, „Abtheilung“, „Stufe“, wurden natürlich nicht, wenigstens nicht in ihrer jetzigen Bedeutung angewandt, sind aber an dieser Stelle zur kurzen und klaren Darstellung des Inhalts der damaligen Strei-

tigkeiten sehr geeignet.

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welchen man den rhätischen Schichten gab: „Rhätische Formation“, „Epitrias“, „Oberkeuper“, „Infralias“, „oberster Keuper“ etc. Selbst Dittmar stellt noch als Aufgabe seiner Arbeit hin: „einen Beitrag zu geben zur Lösung der Frage über die geologische Stellung der Contortaschichten: ob Trias, ob Jura?“

Von so vielfacher Seite aus man nun auch in jener Zeit diese Frage zu lösen suchte, so hat man doch merkwürdiger Weise nie- mals den Weg betreten, dass man nachsah, wieweit man eine nicht eng lokale Gliederung der rhätischen Schichten in Unterabtheilungen und event. wiederum der letzteren in weitere Untergruppen u. s. f. treiben konnte, um dann aus dem Grad dieser Gliederung den Rang des Gesammtschichtencomplexes zu bestimmen. Es existirt also aus jener Blüthezeit der Rhätuntersuchungen keine tiefgehende und weithin durchgeführte Gliederung und Parallelisirung der uns beschäftigenden Schichtengruppe, auch in v. Dittmars Arbeit ist eine solche noch nicht versucht (abgesehen von einer auf rein petro- graphische Momente begründeten).

Erst aus dem J@ahre 1863 finden wir in den Arbeiten von Suess und Mojsisovics!) und von Pflücker y Rico?) die ersten dies- bezüglichen Versuche für das alpine und das ausseralpine Rhät vor. Die Behauptung von Hauers?): „Eine weitere Gliederung der ausser- alpinen rhätischen Schichten hat man nicht versucht; sie gelten als eine einzige, weiter nicht theilbare Gesteinszone“, ist demnach zu berichtigen.

Aber es muss betont werden, dass jene Gliederungen noch nicht auf ihre durchgängige Anwendbarkeit, ja Richtigkeit über- haupt geprüft sind.

Ich habe es mir im Folgenden zur Aufgabe gesetzt, zu unter- suchen, ob die in den genannten beiden Arbeiten zunächst für be- schränkte Gebiete aufgestellte Gliederung des Rhät richtig ist und sich auch weiterhin, einerseits durch ganz Deutschland, andrerseits durch den gesammten Alpenzug von der Schweiz an bis in die Ostalpen und die geologische Fortsetzung der Alpen, die Karpathen,

!) Suess u. Mojsisovics, Studien üb. d. Gliederung d. Trias etc. II. Gruppe des Osterhorns. Jahrb. k. k. geol. Reichsanst. 1868, S. 167, 2) Pflücker y Rico, d. Rhät in d. Umgegend von Göttingen. Z.d.d. 8. G. 1868, 8. 397. 3) F. v. Hauer, Die Geologie und ihre Anwendung auf d. österr. Staat. Wien 1875, S. 366. 1*

a.

hinein als anwendbar erweist, und welchen allgemeinen Werth die aufgestellten Glieder haben.

Nach früher Gesagtem könnte man vielleicht vermuthen, dass ich hierbei den Zweck verfolgte, auf eine bisher noch unversuchte Weise nämlich durch Bestimmung des Grades der etwaigen Gliederung den systematischen Werth des Rhät in dem her- kömmlichen Formationenschema festzustellen: Am Schlusse der Dar- stellung wird sich zwar nebenbei eine Antwort auf die Frage nach diesem Werth ergeben, aber dieselbe ist keineswegs Zweck der Untersuchung. Denn sie mag ausfallen, wie sie wolle, so ist sie doch keinenfalls von Einfluss auf den positiven Fortschritt in der geologischen Kenntnis, sondern nur negativ, nämlich insofern von Nutzen, als sie eine Ueber-, bez. Unterschätzung der in Frage stehen- den Schichtenreihe verhindern soll.

Zweck der Untersuchung ist vielmehr der eventuelle Nach- weis und die Durchführung einer eingehenden, dabei jedoch nicht beschränkt lokal bleibenden Gliederung, also eine Vertiefung unsrer thatsächlichen stratigraphischen Kenntnis des Rhät, ohne Rücksicht auf jenes künstlich gebildete Schema. Stellt sich doch in der Neuzeit immer mehr heraus, dass die stratigraphischen Resultate der Geologie für die Paläogeographie und die Paläoniologie von um so höheren Werthe sind, je detaillirter sie bei weitgehender Gültigkeit sind. Denn je genauer die Beschaffenheit, Lagerung und Verbreitung eder einzelnen, (insbesondere durch ihren organischen Inhalt) selb- ständig charakterisirten Schicht bekannt ist, um so werthvollere Schlüsse kann daraus die Paläogeographie auf die geologischen Vor- gänge der Vorzeit ziehen, welche auf die ehemalige Form der Erd- oberfläche, die Vertheilung von Land und Wasser u. s. w. in den einzelnen Perioden der Erdgeschichte von Einfluss gewesen sind und damit auf die Bildungsgeschichte der heutigen Erdoberfläche eingewirkt haben; und andrerseits ist es allein die scharfe Son- derung aller einzelnen selbständig charakterisirten Schichten (natür- lich mit Gleichsetzung der an verschiedenen Orten einander ent- sprechenden), welche die Paläontologie benutzen kann, wenn sie den Entwickelungsgang der Organismenwelt bis in seine einzelnsten Phasen verfolgen und dadurch an der Hand von Thatsachen einen selbst vom grössten Zweifler unanfechtbaren Beweis der Descendenztheorie erbringen will.

Diese Punkte in ihrer Vereinigung auf Grund genauer, allseitiger Kenntnis aller einzelnen am Aufbau der Erdkruste be-

a

theiligten, selbständig charakterisirten Schichten, für sich und in Verbindung mit den andern Schichten, die Geschichte der Erde in ununterbrochenem Zusammenhang festzustellen und der Paläonto- logie werthvolles Material für die Erforschung der Stammesgeschichte der die Erde bevölkernden Organismenwelt zu liefern sind es ja vor allem, welche die wissenschaftliche Geologie sich als letztes und schönstes, wenn auch nur schwierig und nicht vollständig zu erreichendes Ziel vor Augen gestellt hat.

Möge auch das Folgende ein kleiner Beitrag in der Erstrebung dieses Ziels sein!

Bevor ich zur Behandlung des Gegenstandes selbst übergehe mögen hier noch einige Bemerkungen Platz finden. Zuerst: ich werde mich nur auf die deutschen und alpinen Vorkommnisse beschränken, das schwedische, englische, irische, französische und italienische Rhät dagegen, ebenso das aussereuropäische (Himalaya, China, Argentinien, Queensland, Südafrika!) unberücksichtigt lassen. Be- züglich der Behandlungsweise ferner habe ich zu erwähnen, dass ich zunächst selbständig eine Parallelisirung und Gliederung der Schichtenreihen an den einzelnen Vorkommnissen versuchen werde, allerdings immer schon mit stiller Rücksichtnahme auf die gleichen Versuche von Pflücker y Rico und von Suess, dass ich diese Versuche selbst aber erst an geeigneter Stelle vorbringen und be- sprechen werde, und dass ich im Interesse voller Objektivität wie auch der Erleichterung einer vergleichenden Uebersicht alle einzelnen von den verschiedenen Forschern beobachteten und ver- öffentlichten, auf das Rhät bezüglichen brauchbaren Thatsachen zusammengetragen habe und zuerst in ausführlicherer Weise refe- riren werde.

Bei der Parallelisirung von Schichten von verschiedenem Fundort wird natürlich zuerst immer der organische Inhalt aus- schlaggebend sein; petrographische Uebereinstimmung kann nur dann Beachtung finden, wenn die paläontologischen Verhältnisse nicht widersprechen und die Fundorte einander sehr nahe liegen; die mit der Cuvier’schen Katastrophentheorie in enger Verbindung stehende Werner’sche Lehre von der durchgängigen petrographi-

!) Ueber das Rhät des Himalaya liegen schon verschiedene Arbeiten vor; aus China hat von Richthofen, aus den drei Ländern der südlichen Halbkugel H. B. Geinitz pflanzliche Reste rhätischen Alters erkannt.

RE

schen Uebereinstimmung äquivalenter Schichten ist natürlich längst widerlegt; bei Seichtwasserbildungen vollends, als welche die deut- schen Rhätschichten zu betrachten sind, ist natürlich die petrogra- phische Differenz chronologischer Aequivalente erst recht eine be- deutende, oft schon bei nahe gelegenen Fundorten. Nur bezüglich der untern Rhätgrenze in Deutschland müssen wir so lange an der der Werner’schen Lehre entsprechenden Ansicht festhalten, dass die Bildung der obern, bunten Keupermergel überall (in Deutschland) zu gleicher Zeit ihr Ende gefunden habe, bis das Gegentheil er- wiesen ist.

Darstellung des stratigraphischen und paläontologischen Verhaltens des deutschen Rhät.

A. Das norddeutsche Rhät. 1. Das Rhät bei Gotha.

Für das Vorkommen des Rhät am Seeberg bei Gotha besitzen wir ausser den älteren Beschreibungen Credners!) noch diejenige von M. Bauer.?) Das dortige Rhät bildet unter einer geringen Anzahl inselförmig auftretender Vorkommnisse von geringer hori- zontaler Ausdehnung zwischen Gotha und Arnstadt, über welche wir in dem erläuternden Text zu dem Kartenblatt Arnstadt der preussisch - thüringischen geognostischen Landesaufnakme noch wei- tere Mittheilungen von E. E. Schmid erhalten werden, dasjenige Vorkommen, welches allein noch die Ueberlagerung durch den Lias, also die vollständige Reihenfolge der Schichten zeigt. An den übrigen Orten scheinen sich bloss noch die untersten Sandsteinbänke mit Anodonta postera (z. Th. in verschiedenen Varietäten?) vorzu- finden.

Für das Rhät am Seeberg gibt nun Bauer, in Uebereinstimmung mit Credner, nachstehende Schichtenfolge an?):

a 1. Mergel des mittleren Lias mit sehr zahlreichen Belemniten und mehreren Ammonitenarten.

I N. Jahrb. f. Min. 1839, S. 379; ebenda 1860, S. 293.

2) Jahrb. k. preuss. geol. Landesanst. 1881.

3) Im Interesse einer leichteren vergleichenden Uebersicht werde ich stets die Schichten in ihrer natürlichen Reihenfolge aufführen, die jüngste zuerst, mit dem Buchstaben a, die nächstältere darnach, mit dem Buchstaben b u. s. f.; die Zahlen 1, 2, 5 u. s. w. hinter diesen Buchstaben bedeuten die Nummer, unter welcher ein Profil in dieser Arbeit aufgeführt ist, sodass also z. B. c 5 heisst: „Schicht c des Profils Nr. 5“, oder f 7: „Schicht f des Profils 7“.

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. Sandstein, mit Thon wechsellagernd; letzterer nach oben vor-

herrschend; petrographisch dem Rhät sehr ähnlich, aber mit

Versteinerungen der Zone des Ammonites planorbis und des A.

angulatus: vorzugsweise Bivalven (Cardinia), seltener Gastero- poden und ebenso selten kleine Amm. angulatus.

. graue Thonmergel. . 6—10° Mergelschiefer ; die seltenen Petrefakten haben zer-

störte Schalen; es sind Modiola minuta Qu. (nach Credner; nach Pflücker y Rico = M. minima Sow.?), Cardium rhaeti- cum, C. Philippianum Dunker = Protocardia carinata Pflücker; noch seltener sind Posidonomya Hausmanni Bornem., Protocar- dia Ewaldi, Täniodon ellipticus (= Protocardia praecursor). Inoceramus sp.

. 10—15° Sandstein, nach oben immer schiefriger werdend,

Thonschichten aufnehmend; zu unterst noch Equisetum sp., meist in aufrechten Exemplaren; keine Thierreste.

. 2—4' grauer, magerer Thon. . 40' gelblichweisser Sandstein, Hauptgegenstand des Steinbruchs-

betriebes. Credner gibt daraus als sehr selten Cardium cloa- cinum und Täniodon Ewaldi an; Bauer hat diese Muscheln zwar nicht wiedergefunden, dagegen glückte es mir bei einem ganz flüchtigen Besuch eines Steinbruchs, dieselben, zahlreich eine Schicht bedeckend, zu beobachten. Besondere Erwähnung verdient das Vorhandensein sehr dichter, eine gekräuselte Oberflächenform der Sandsteinschichten erzeugender Wellen- furchen als ein Beweis dafür, dass die Bildung des Gesteins an flacher Meeresküste vor sich ging. Auch undeutliche, wohl durch Wellenschlag abgeriebene Pflanzenreste sind häufig.

. 20—25‘ sandig-thonige Schichten ohne organische Einschlüsse. 1. 30—40‘ weisser bis lichtgelber, feinkörniger Sandstein; 6’

über seiner untern Grenze eine Schicht voll Anodonta postera, die sog. „Gurkenkernschicht“, welche sich auch an der Wachsenburg und bei Bittstedt gefunden hat. Nach Teget- meyer!) soll K. v. Fritsch 1375 in der Anodontenschicht auch ein Bonebed beobachtet haben.

. Bunte Keupermergel, 200° mächtig, mit einer schwachen roth-

braunen Sandsteineinlagerung, welche sich an der Wachsen- burg wiederholt, mit Semionotussandstein und Steinmergel-

1) Zeitschr. f. d. ges. Naturw. 1876, S. 473.

u

bänken, letztere an der Wachsenburz z. Th. voll Anoplo- phora gypsea.

Dieses sehr genau und sorgfältig beobachtete Profil zeigt „überall absolute Concordanz aller Trias- und Liasschichten“ (Bauer), ferner einen allmählichen petrographischen Uebergang des Rhät in den Lias, einen ziemlich schroffen, wenngleich nicht ganz unvermittelten Gegensatz gegen den oberen Keuper.

2. Das Rhät bei Eisenach.

Geographisch am nächsten den eben beschriebenen Vorkomm- nissen finden sich rhätische Schichten nördlich bei Eisenach, eben- falls inselförmig über Keupermergeln gelagert. Zuerst (1842) hat sie H. Credner beschrieben, dann Bornemann 1854!) erwähnt, später auch wieder Senft?) und Credner?) behandelt; die neueste darüber erschienene Arbeit ist die von K. v. Fritsch 1570).

Nach letzterem Beobachter findet man dort:

a 2. Sandsteine und Thone des unteren Lias. Interessant ist, was v. Fritsch über den Charakter der Fauna dieser Schichten sagt: „fast alle Versteinerungen sind von geringer Grösse, mit wenigen Ausnahmen fehlen die grossen Conchylien der gleichen Epoche, sind deren Formen vertreten, so ist es meist durch kleine Exemplare, auch fällt es auf, dass ich weder Korallen, noch Brachiopoden gesammelt habe“. Die grosse Mehrzahl der Petrefakten bilden Bivalven aus der Ab- theilung der Asiphoniden, dann folgen Gasteropoden und Am- moniten, von letzteren sind nur „Fragmente und Jugendformen‘“ vorhanden. Zu erwähnen ist noch, dass Modiola minima Sow. in dieser Schicht wie in der darunter liegenden des Rhät vorkommt.

b 2. 16 m oder mehr schwarze bis graue, meist sehr dünnblättrige Schieferthone, dazwischen härtere 10—60 cm mächtige Sand-

v

!) Bornemann, Die Liasformation in der Umgegena von Göttingen. 1354. (Inaug.- Diss.)

2) Senft, das nordwestl. Ende d. Thür. Waldes. Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1858, S. 305.

3) Credner, Ueb. d. Grenzgebilde zw. d. Keuper und Lias am Seeberg. N. Jahrb. f. Min. 1860, S. 293.

#) K. v. Fritsch, Vorstudien üb. d. jüngeren mesoz. Ablag. bei Eisenach. N. Jahrb. f. Min. 1870, S. 385.

One

steinbänke voll Petrefakten: Avicula contorta h!), Gervillia prae-

cursor s, Modiola minima Sow., M. minuta Gdf., Lithophagus faba

Wklr, Cardium cloacinum ns, Protocardia praecursor hh, P.

Ewaldi hh, P. rhaetica s, Myophoria postera h. u. a. m.

Eine Gliederung dieses Schichtencomplexes auf paläontolo-

gischer Grundlage hielt v. Fritsch seiner Zeit für unthunlich,

für spätere Zeit jedoch (bei besseren Aufschlüssen) für mög- lich, ja wahrscheinlich. Meines Wissens ist darüber jedoch noch nichts wieder veröffentlicht. Dagegen gibt Credner schon

1860 (a. a. O0. S. 306) für denselben (thonig-mergeligen)

Schichtencomplex folgende Einzelgliederung an:

«. 1‘ gelbgrauer Mergelsandstein mit einzelnen P. Ewaldi.

. 8. 10° schwarzgrauer Mergelschiefer mit P. Ewaldi.

y. 1‘ quarzige Mergel mit Tutenkalk ohne Versteinerungen,

ö. 6—8° Mergelschiefer mit P. Ewaldi.

& /,‘ Quarzmergel, mergelreicher Sandstein und Mergelschiefer mit P. Ewaldi, P. praecursor (= Täniodon ellipticus Crdn.), P. carinata (= Cardium Philippianum Crdn.), Avicula con- torta,

b 2. & 5—10’ Mergelschiefer nit Posidonomya Hausmanni (?), Avi-

cula contorta, P. rhaetica, P, Ewaldi.

Es folgt nun hierunter weiter nach v. Fritsch:

c 2. 14—20 m Sandstein, in zahlreichen Steinbrüchen abgebaut, mit Landpflanzen: Nilssonia polymorpha, Pterophyllum Blasii, Zamites distans.

d 2. die unteren Bänke des Sandsteins; darin eine Bank (oder mehrere ?) voll Anodonta postera und Spuren eines Bonebeds (Fischzähne in Abdrücken).

e 2. Bunte Mergel des Keupers mit Sandsteinzwischenlagen.

Ohne dass ich schon hier auf eine genaue Vergleichung mit der Schichtenfolge des Rhät bei Gotha eingehe, darf ich wohl das gleich- mässige Vorkommen des Bonebed und der Gurkenkernschicht nahe der unteren Grenze, und die auffällig grosse Uebereinstimmung im Habitus der Fauna des untern Lias bei Eisenach und Gotha hervor- heben und auf Grund dieser Thatsachen mit M. Bauer einen ehe- maligen engen Zusammenhang der beiden Schichtenreihen vom obern Keuper bis zum untern Lias annehmen, gegenüber der veralteten An-

en er jer. om DD m 0 IV

zu =

!) Die Buchstaben hh, h, ns, s, ss sind die gewöhnlichen Abkürzungen für die verschiedenen Grade der Häufigkeit oder Seltenheit.

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nahme gesonderter Absatzgebiete für jedes einzelne der heutigen insel- förmigen Vorkommnisse.

Die nachträglichen Schichtenstörungen, welche am Seeberg so bedeutend aufgetreten sind, scheinen auch noch das Eisenacher Rhät betroffen zu haben, denn Senft gibt an, dass stellenweis die „Täniodon- schiefer‘“ den Lias überlagern.

Nur kurze Erwähnung soll hier der „obere Keuper“ finden, den Moesta!) auf Sektion Netra nordwestlich von Eisenach beobachtet hat. Ebenfalls nur in Gestalt zweier isolirter Schollen auftretend, lagert derselbe dort concordant über dem Steinmergelkeuper, „sehr sicher“ von diesem abgegrenzt durch das Auftreten einer etwa 10 cm dicken Sandsteinschicht voll „Täniodon Ewaldi“. „Die Abtheilung zerfällt nach ihrer petrographischen Ausbildung in eine untere Stufe, die vor- zugsweise aus thonigen oder steinigen, meist rothen Mergeln besteht, welche gegen Westen hin in Sandstein übergehen“, und in eine obere, aus dunklen Schieferthonen bestehende, mit eingelagerten dünnen weissen Sandsteinschichten. Hier sei „Täniodon Ewaldi“ noch massen- hafter. Zu oberst liegen versteinerungsleere graue Thone zweifelhaften Alters.

3. Das Rhät bei Göttingen.

Auch bei Göttingen, in der nächsten Nähe des Ortes, tritt das Rhät wiederum nur noch in Form von kleinen Inseln auf. Zuerst von Bornemann?) 1854 bekannt gemacht, hat es 1868 Pflücker y Rico?) eingehender beschrieben. Derselbe fand am kleinen Hagen:

as. 1 m dünne Lagen von Schieferthonen und Mergeln, welche mit harten, quarzitischen Platten?) abwechseln, in welchen eine ungeheure Anzahl von kleinen Bivalven, hauptsächlich P. Ewaldi, daneben A. contorta, Cardium cloacinum, Myo- phoria postera, kleinen Exemplaren von Modiola minuta Gdf, gesellig zusammenliegend gefunden werden. Selten kommt noch vor P. praecursor, häufiger Cardinia Göttingensis und in einzelnen Schichten massenhaft Bactryllium sp.

1) Erläuterungen zur geol. Specialkarte v. Preussen u. d. thür. Staaten. Blatt Netra.

2) Bornemann, Liasformation bei Göttingen. Inaug.-Diss. 1854.

3) Pflücker y Rico, Ueb. d. Rhät b. Göttingen. Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1868.

4) Die petrographische Beschaffenheit dieser Platten ist eingehend be- schrieben von H. O. Lang in „Sedimentärgesteine bei Göttingen‘. Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1879.

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b 3. 10 m Sandstein mit meist undeutlichen Pflanzenresten. c 3. Thonsandstein mit Schieferthon wechselnd. d 3. 0,1 m fester grauer oder mürber brauner Sandstein mit zahlreichen Fischzähnen, Schuppen u. s. w. Oberes Bonebed. 3. 1,7 m Schieferthon mit Sandstein wechselnd. 3. 0,05 m dunkelbrauner Sandstein mit zahlreichen Fischschuppen, Fischzähnen u. s. w. Unteres Bonebed. g 3. Graugrüner und rother Schieferthon. h 3. Bunte Mergel des Keupers. ö. Am Klusberg bei Göttingen findet sich nach Pflücker folgende Schichtenreihe, a 3°, Quarzitische Platten voll P. Ewaldi, A. contorta, Cardium cloacinum. b 3‘. Sandstein von geringer Mächtigkeit mit undeutlichen Pflanzen- resten. c 8°. Bonebed mit grossen, aber nicht genau zu bestimmenden Knochen, d 3‘. „Sicher bedeutend tiefer“ und „rings von Keupermergeln um- geben“, findet sich dort ein zweites Knochenlager. Es ist wohl kein Zweifel, dass die Schichten a 3 und a 3, b 3 und b 3‘, und endlich d 3 und c sich entsprechen, der orga- nische Inhalt und die gleiche Reihenfolge sprechen dafür. Dann ist aber die schnelle Abnahme der Mächtigkeit der Schicht b3 = b 3 auf der kleinen Strecke vom kleinen Hagen bis zum Klusberg sehr beachtenswerth; aber ebensowenig als dies uns hindert, b 3 mit b zu identificiren, wird uns umgekehrt die Zunahme der Mächtigkeit der zwischen den Bonebeds gelegenen Schicht von 1,7 m zu einer „sicher bedeutend“ grösseren Mächtigkeit an denselben beiden Orten abhalten, die unteren Bonebeds beiderseits einander gleichzusetzen. Sehr zu bedauern ist, dass die Zwischenschichten zwischen a 3, bez. a3’ und dem Lias bei Göttingen noch nicht im Einzelnen genau beobachtet werden konnten.

4. Das Rhät bei Deitersen.

Wir gehen von Göttingen nördlich weiter nach Deitersen bei Markoldendorf unweit Einbeck. Pflücker y Rico!) beschreibt von dort folgendes vollständige, vom Keuper bis zum Lias reichende Profil:

a4. Lias mit Ostrea sublamellosa und Ammonites laqueolus: Zone des Ammon. planorbis.

I) Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1868, S. 400 und 1869, 8. 239.

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b 4 2 m Thon mit winzigen und seltenen Mod. minima.

c 4. 20—24m gelber thoniger, zu oberst bituminöser Sandstein mit P. rhätica hh, P. carinata hh, Mod. minima hh, Avicula fallax Pflück. h, Pleuromya Moorei h, Lingula Deitersensis Pflück. s, P. Ewaldi s.

d 4. 6 m. Schieferthon mit P. Ewaldi h, Card. cloacinum, A. con- torta, P. rhaetica, Actaeonina.

e 4. 14 m Sandstein mit Schieferthon, darin nahe der unteren Grenze, dicht über dem Keuper

f 4. ein Bonebed in festem, hellgrauem Sandstein.

& 4. bunte Mergel des Keupers.

Das Bonebed f 4 entspricht seiner Lage nach sehr gut dem untern Bonebed f 3 und d von Göttingen und den Bonebeds in den Schichten i 1 und d 2.

Auch erkennt man die wesentliche Uebereinstimmung der Faunen von a 3, a 3°, d 4, ebenso die von d1 undc 4

5. Das Rhät im Wesergebirge.

Im Wesergebirge zum ersten Mal finden wir das Rhät zusam- menhängend in weiterer Erstreckung der Keuperliasgrenze folgend; besonders ist es in der Nähe der Westfälischen Pforte entwickelt (Vlotho, Rehme, Vahrenholz, Oeynhausen) und dort z. Th. sehr mächtig; auch bei Osnabrück ist es an einzelnen Stellen unter dem Diluvium hervortauchend gefunden worden.

Bedauerlicher Weise ist nur sehr wenig über das Rhät des Wesergebirgs veröffentlicht worden. ©. Brandt!) gibt 1564 von dort für die Reihenfolge der nach oben und unten hin concordant ein- gelagerten Schichten und ihrer Faunen folgendes Profil, dessen ein- zelne Theile freilich nicht alle an Einem Orte gleich gut zu beob- achten sind:

a5. Lias mit Ammonites planorbis, Lima gigantea etc.

b 5. 25° blaue Sandsteine und schwarze Schieferthone mit Pecten disparilis, Plagiostoma, Astarte, Ostrea und ferner mit P. Ewaldi, P. praecursor, Card. cloacinum, Leda Deffneri, Cer- comya praecursor, Modiola minuta, Gervillia praecursor. 25° fast schwarze „Thonsteine‘“. 25° hellgrünliche, wellig-schiefrige Sandsteine. 150° dunkle „Thonkiesel‘“, mit Schiefern und Mergel wechsel- lagernd; darin ein Bonebed (e 5 y), dessen Lagerung nicht

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!) Verh. d. naturhist. Ver. f. Rheinl. u. Westf, XXI. Jahrg.

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genau angegeben ist; und in den obern Schichten (e 5 e): P. Ewaldi, Cardium cloacinum, Leda Deffneri, Cercomya prae- cursor, Avic. contorta in der kleinen Varietät, Pecten sp; in den untern Schichten (e 5 #): P. praecursor vorherrschend,

Lingula Suessi, P. rhaetica, A. contorta in grossen Exemplaren, Pecten cloacinus?

f 5. 25° „Thonquarze“ mit Equiseten und Calamiten.

& 5. 150° hellbläuliche bis schwarze Mergel.

h 5. 100° rothe Mergel, sicher Keuper.

Brandt hatte die Schicht e 5 (seine „Schicht 2“) nicht weiter gegliedert, ich habe mich aber auf Grund seiner eignen Versteinerungs- listen veranlasst gesehen, dieselbe in zwei Schichten e 5«@ und e 5 £ zu sondern. Pecten disparilis, Ostrea, Astarte und Plagiostoma sind übrigens in benachbarten Gegenden noch nie mit P. Ewaldi und Card. cloacinum zusammen gefunden worden; es dürfte demnach eine Revi- sion der früheren Beobachtungen vielleicht auch im Wesergebirge dasselbe Resultat ergeben. Dann wird man wohl b 5 in zwei Stufen zerlegen müssen, deren eine jedesfalls zum Lias zu ziehen, deren andere wahrscheinlich mit e zu vereinigen ist. Die Lage des Bonebeds ist leider nicht genau angegeben, doch kann es auf keinen Fall das untere sein, welches ja der Keupergrenze viel näher liegt; letzteres muss, wenn 2s im Wesergebirge noch entdeckt werden sollte, sich in den untern Lagen von f 5 oder in den obern von g 5 vorfinden. Die Fauna von e schliesst sich das ist ja auf- fällig genug eng an diejenigen von a3, a3’ und d 4 an, dagegen ist die Fauna von e 5 £ noch neu.

6. Das Rhät bei Hildesheim.

Vom Hildesheimer Rhät, zu dem wir uns nun wenden, gibt H.Roemer!) genauere Nachricht. Er beschreibt daselbst vom „Krählah“ folgendes ausgezeichnete, leider nicht ganz bis zur Zone des Ammo- nites planorbis reichende Profil:

a 6. Sandstein mit Thon wechsellagernd. b 6. 3,3 m ockriger thoniger Sandstein, mit undeutlichen Pflanzen- resten.

I) Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1374. Die jüngst von demselben Ver- fasser im Jahrb. d. k. preuss. geol. Landesanst. erschienene geognostische Mono- graphie der Umgebung von Hildesheim berichtet nur wieder die alten Be- obachtungen.

c 6. 0,1 m Obere Bonebedbreccie: graugrüne, sandig thonige Knauern, von Knochenbruchstücken und Fischzähnen erfüllt; die Knochenstücke sind grösser als im untern Bonebed, aber ‚meist bis zur Unbestimmbarkeit zerstört.

d6. 1,3 m Sandstein mit Schieferthon wechsellagernd, darin ganz unten eine dünne Schicht mit zahlreichen Ophiodermen.

e 6. Thonige Sphärosiderite und Nagelkalke; darunter eine zweite dünne Schicht mit zahlreichen grösseren Ophiodermen.

f 6. Schicht mit z. Th. wohl erhaltenen Fischen (Pholidophorus

Roemeri).

3, 4 m Schieferthon mit nach oben an Menge zunehmenden

Versteinerungen und zwar: P. praecursor, P. rhaetica, P.

Ewaldi, Avicula contorta, Lingula Suessi; daneben wurden

ausserdem noch Leda Deffneri, Anodonta postera, Mod. minuta,

Gerv. praecursor, endlich auch drei Käferarten gefunden;

ferner waren Gerv. inflata und Pecten acuteauritus besonders

in einer dünnen Schicht in der Mitte von g überaus häufig.

h 6. 1,86 m Sandstein und Thon wechsellagernd, mit denselben Versteinerungen.

i 6. Unteres Bonebed; feinkörniger Sandstein.

k 6. 1,5 m graugrüne, ungeschichtete Mergel.

1 6. Mehrere Meter gelblichgraue schiefrige Thone mit Estheria minuta.

m6. 5 m Sandstein.

n 6. Bunter Mergel, sicher zum Keuper gehörig,

Dieses reichlichst gegliederte von allen deutschen Rhätprofilen zeigt einige paläontologisch höchst interessante, sonst noch nirgends oder nur selten im deutschen Rhät beobachtete Schichten: die beiden Ophiurenbänkchen, die Pholidophorusschicht und die Bank voll Ger- villia inflata, einer Muschel, von der noch Dittmar 1864 sagte, dass sie nur in den Alpen gefunden werde. Bemerkenswerth ist auch das Vor- kommen von Käfern. Abgesehen von diesen Besonderheiten tritt aber eine grosse Uebereinstimmung mit dem Göttinger Rhät hervor: im Vorhandensein zweier Bonebeds; in der Eigenthümlichkeit, dass das obere hier (c 6) wie dort (c 3°) durch grössere Knochenstücke vor dem unteren ausgezeichnet ist; im Auftreten einer pflanzenführenden Schicht dicht über dem oberen Bonebed, endlich in der Lagerung des unteren Bonebeds fast unmittelbar an der Keupergrenze; in Bezug auf das letztere ist es nämlich sehr wahrscheinlich, dass die Schicht 16 und wohl auch k 6 noch zum Keuper gehört, zwar nicht wegen der Estheria

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minuta denn diese ist anderwärts auch in unzweifelhaftem Rhät ge- funden worden und besitzt eine gar zu grosse vertikale Verbreitung, als dass sie für eine bestimmte Schicht der Trias leitend sein könnte —, wohl aber wegen des petrographischen Verhaltens von k und ], welches ja, bei dem Mangel paläontologischer Merkmale einstweilen bei der Grenzbestimmung ausschlaggebend sein muss.

Von Hildesheim aus erstreckt sich nun nach Osten und Südosten bis fast zum Harz hin ein sehr regelmässig gebauter Höhenzug, von Schlönbach der Salzgittersche Höhenzug genannt, einen Sattel dar- stellend, dessen Axe von Buntsandstein eingenommen wird, an welchen sich beiderseits die jüngeren Schichten bis zum braunen Jura und dann wieder vom Hils bis zur obern Kreide sehr regelmässig anlagern. In diesem Höhenzug tritt demnach das Rhät in zwei ungefähr paral- lelen Streifen zu Tage. Ausserdem findet sich dasselbe weiter öst- lich in einem wahrscheinlich auch noch ziemlich zusammenhängenden Zug zwischen Braunschweig und Halberstadt. Dieser stimmt mit dem Salzgitterschen im Allgemeinen überein, im Einzelnen zeigen sich aber nicht nur zwischen den verschiedenen Rhätzügen, sondern auch inner- halb jedes einzelnen eine so grosse Menge von Verschiedenheiten, dass mir, der ich die Aufschlüsse nicht aus eigner Ansicht, sondern nur aus den Darstellungen Schlönbachs u. A. kenne, eine zusammen- fassende Darstellung und genaue Parallelisirung der einzelnen Schichten des Rhät sehr schwierig oder geradezu unmöglich ist. Denn Strombeck, Schlönbach, Credner, Pflücker y Rico u. A. haben zwar schon eine Menge von Profilen beschrieben, aber theils stimmen diese Beschreibungen selbst eines einzigen Profiles nicht vollkommen überein, theils haben nicht alle Beobachter, insbesondere die frühesten nicht, es immer für nöthig gehalten, ganz ins Einzelne eingehende Schichtenaufzählungen zu geben, sondern waren zufrieden, eine ganze Schichtengruppe als äquivalent mit „der schwäbischen Kloake“ oder dem „Bonebed“ erkannt zu haben, theils ist die Zahl der Petrefakten eine äusserst spärliche und deren Erhaltungszustand ein zu sicheren Bestimmungen nicht immer geeigneter. In diesen Punkten, wie auch in dem raschen Wechsel in der Gesteinsbeschaffenheit und Mächtig- keit bedingt also auch die Natur der verschiedenen Aufschlüsse selbst die Schwierigkeit einer klaren Darstellung, natürlichen Gliede- vung und richtigen Parallelisirung.

Ich lese darum aus der grossen Zahl der bekannt gewordenen Profile nur diejenigen aus, welche mir wegen ihrer Genauigkeit im Einzelnen und ihrer relativ grösseren vertikalen Ausdehnung an dieser Stelle am passendsten erscheinen.

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7. Das Rhät bei Salzgitter.

Nach den Darstellungen Schlönbachst), denen eine kürzere Credners?) vorausgegangen war, findet sich bei Salzgitter ein überaus mächtiger, aber doch von Ort zu Ort in seiner Mächtigkeit schwan- kender, dem Quadersandstein ähnlicher Sandstein, der „Bonebed- quader“, welcher der am meisten in die Augen fallende Theil des dortigen Rhät ist, und an den sich die über- und unterlagernden, noch zum Rhät gehörigen Schichten als mehr untergeordnete Glieder anzuschliessen scheinen, wenn sie auch immerhin die Rhätvorkomm- nisse andrer deutscher Gegenden, vielleicht nur mit Ausnahme des- jenigen im Wesergebirge, noch bedeutend an Mächtigkeit übertreffen.

In einer Thongrube in der Schnigelade östlich von Salzgitter findet Schlönbach folgendes Profil:

a 7. Schichten des Ammonites angulatus.

b 7. Sandstein und Thon, z. Th. in Kalkstein übergehend, mit Pecten disparilis, Lima Hermanni, Ammon. Johnstoni, also: Zone des Amm. planorbis (bei Schlönbach Schichten „b, c, d und e“).

ce 7. 38° Graue und braunrothe Töpferthone ohne Versteinerungen (Schlönbachs „f* und „g“).

d 7. 13° Gelbbrauner, etwas grober, glimmerreicher Sandstein mit zahlreichen Schilfabdrücken (,„h“).

e 7. 14° grauer, z. Th. sandiger Thon (,„i, k, 1“); darin in der Mitte und an der Basis eine Knochenschicht (,l 1“ und „1 5“).

f 7. 70‘ feinkörniger, starkbankiger Quader (,„m“ und ,„p“) mit (18°) Einlagerungen von grauem Thon und Mergel (,n“ und „o“).

8 7. 25° meist gelbe und graue Thone und Mergel (,„q“ bis „w‘) in den allerobersten Schichten zwei Knochenlager (,r“ und „t‘“), durch Mergel (,„s“) getrennt,

Zu unterst gibt Schlönbach noch einen Sandstein an, von dem er es zweifelhaft lässt, ob derselbe noch zum Keuper oder schon zum Rhät zu ziehen ist; ohne einen bestimmten Grund anzugeben, neigt Schlönbach mehr dem letzteren zu, indem er ihn mit dem schwäbi- schen „Viehweidler‘“ parallelisiren möchte. Dann soll aber im Liegen- den unzweifelhafter bunter Keupermergel in grosser Mächtigkeit folgen. Die beiden Bonebeds c und g sollen sich nur durch ihre Mächtig- keit und ihr Lager und durch den Erhaltungszustand der Knochen-

I) N. Jahrk. f. Min. 1860, S. 513, und 1862, S. 146. 2) ibid. 1860, S. 316.

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reste unterscheiden: das untere soll das besser erhaltene und dadurch, wie auch durch grössere Mächtigkeit, das mehr in die Augen fallende sein. Das schwäbische Bonebed an oder dicht unter der Liasgrenze soll durchaus fehlen. Mit Ausnahme der schon genannten Pflanzen und Knochen und ganz undeutlicher Bivalvenreste, welche vielleicht auf P. praecursor zu beziehen seien, sind keine weiteren Versteine- rungen gefunden. Als weiteres Profil gebe ich hier nur noch das des

8. Rhät von Seinstedt

wieder, nach den Darstellungen Schlönbachs !) und Pflückers?), welche leider nicht genau mit einander übereinstimmen. Zu beklagen ist ins besondere, dass letzterer die Lage des oberen Bonebeds nicht genau angegeben hat. Doch scheint das folgende, nach den Angaben beider Forscher zusammengestellte Profil ungefähr richtig zu sein.

a 8. Plattensandstein; in dessen unterer Hälfte eine Schicht mit Modiola minuta und Gervillia inflata, untergeordnet auch Myoph. postera und Prot. praecursor.

b 8. dunkelgraue Schieferthone mit hellgrauen Sandsteinplatten wechselnd; darin tief unten

c 8. ein Bonebed (nach Schlönbach).

d 8. Sandstein mit Schieferthon; darin besonders sehr zahlreich Prot. praecursor (nach Pflücker).

e 8. Schieferthone und Mergel mit eingeschlossenen Sandstein- lagen und mit kleinen Bivalven und Gasteropodenkernen.

f 8. 4 m Sandsteinquader; in etwa 2 m über der Sohle viele schön erhaltene Pflanzenreste, welche von Brauns?) beschrieben worden sind.

Nach Schlönbach®) finden sich nun weiter darunter nach

g 8. einigen unbestimmten Zwischenschichten

h 8. Sandsteine mit Schiefer- und Mergellagen und mit Calamiten und andern Pflanzenabdrücken.

i 8. Unteres Bonebed in grobem Sandstein.

k 8. Bunter Keupermergel.

Die Identifieirung des unteren, direkt dem Keuper auflagern-

I) N. Jahrb. f. Min. 1860, S. 149.

2) Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1868, 5. 401.

3) Paläontographica, Bd. 9, S. 47 und ebenda, Bd. 13, 8. 237. #) N. Jahrb. f. Min. 1862, S. 164.

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den Bonebeds i 8 mit g 7 wird wohl nicht angefochten werden. Weiter ist aber mit diesen auch noch i6, f4, £3, d3, d 2 und il zu identificiren, da alle diese Bonebeds durch die gleiche Lagerung bestimmt als gleichalt charakterisirt sind. Dieses untere Bonebed ist auch das in Norddeutschland am meisten in die Augen fallende, es ist dort die „Hauptablagerung der Grenzbreccie“!), während ein oberes erst spät als allgemeiner verbreitet erkannt worden ist und selbst bis jetzt noch nicht allgemein als an allen Orten identisch be- trachtet wird. Thut man jedoch dies letzte wobei man durch die schon am Ende der Darstellung des Hildesheimer Räth erwähnte Thatsache unterstützt wird, dass fast regelmässig über diesem Bone- bed eine Pflanzenschicht vorkommt —, dann ist der 70° mächtige Bonebedquader von Salzgitter f 7 nicht bloss dem Quadersandstein von Seinstedt f 8 bis h 8 äquivalent, sondern auch noch dem ge- sammten Schichtencomplex über f 8, bis zu dem Bonebed c 8, einer ebenfalls nicht gering mächtigen Schichtenmasse; er ist dann aber auch äquivalent der bei Hildesheim nur 6—7 m Mächtig- keit erreichenden, dafür aber um so mannigfaltiger gegliederten Inter- bonebedgruppe, ebenso aber endlich auch einer nur 1,7 m mäch- tigen Schicht bei Göttingen, welche bisher noch ohne besonderes Interesse war.

9. Das Rhät in Oberschlesien.

Der Vollständigkeit halber erwähne ich hier noch, aber nur kurz, die Schichten, welche F. Roemer?) in Oberschlesien zum Rhät zieht, nachdem dieselben vorher einige Zeit zum braunen Jura gerechnet waren. Nach den bisherigen Beobachtungen lagert dieser nämlich direkt, ohne Vermittelung von Lias, den rhätischen Schichten auf, z. Th. auch in petrographisch ähnlicher Entwickelung. Das Rhät besteht aus verschiedenen bunten kalkigen Thonen, oft denen des mitteldeutschen bunten Keupermergels ähnlich, und enthält häufig Sphärosideritnieren. Letztere umschliessen sehr oft Reste von Cyca- deen, Farnen und Calamiten, welche ganz den Seinstedter Pflanzen entsprechen (Asplenites Ottonis, Pterophyllum Braunii und Calamites Lehmannianus etc.); die obern Schichten enthalten zahlreich die Estheria minuta var. Brodieana Jones, sonst keine Versteinerungen. Roemer führt die Estherienschichten als Hellewalder, die Sphärosiderit-

l) N. Jahrb. f. Min. 1862, S. 174. 2) F. Roemer, Geologie von Oberschlesien. 1874. 9%

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schichten als Wilmsdorfer Schichten auf. Darunter lagern bunte Thone, welchen in mehreren Horizonten die „LissauerKalkbreccien“ ein- gelagert sind. Letztere führen dieselben Wirbelthierreste wie das schwä- bischeBonebed, aber auch wie die Triasbonebeds: Termatosaurus Albertii, Saurichthys acuminatus, Ceratodus concinnus etc. Roemer ist bezüg- lich der Zurechnung dieser Schichten zum Keuper oder Rhät schwan- kend, im Atlas zu seiner „Geologie Oberschlesiens‘“ rechnet er sie dem letzteren bei. Genauer detaillirte Beziehungen einzelner Schichten des schlesischen auf solche von mittel- oder norddeutschem Rhät sind einstweilen vollständig ausgeschlossen.

B. Die verschiedenen paläontologisch unterscheidbaren Schichten des norddeutschen Rhät und die auf sie gegründete Gliederung desselben.

Nachdem ich die Darstellung der Lagerungsverhältnisse des Rhät an den verschiedenen Aufschlusspunkten in Mittel- und Nord- deutschland beendet habe, muss ich versuchen, durch Vergleichung derselben die mehreren Vorkommen gemeinsamen Schichten aufzu- finden und aus diesen event. eine ideale Schichtenreihe zu construiren, auf welche jedes concret gegebene Profil zu beziehen wäre.

Gemäss dem oben ausgesprochenen Princip, die Gliederung und Parallelisirung, soweit nur möglich, auf rein paläontologischer Basis auszuführen, gilt es also jetzt, zuerst die paläontologisch von ein- ander verschiedenen Schichten festzustellen. Zum Theil ist dies schon bei der vorausgegangenen Darstellung geschehen, doch soll es hier im Zusammenhang wiederholt und systematisch vervollständigt werden.

Da haben wir zuerst Schichten, welche sich durch ausschliess- liches Vorkommen von Landpflanzen verschiedener Art auszeich- nen; es sind die Schichten c1, gl, c2, b3, b3‘, f5, b6, d7, f8—h5, und die Wilmsdorfer Schichten in 9. Wenn wir nun berücksich- tigen, dass auch jetzt noch die gleichzeitig lebenden Pflanzen je nach ihren Standorten verschiedenen Arten angehören, so dürfen wir für die Vorzeit keinen Anstand nehmen, Schichten, welche z. B. bloss Cala- miten, und Schichten, die bloss Farne und Cycadeen enthalten, für gleich alt zu erklären, obgleich sie nicht eine einzige Art direkt mit einander gemein haben, wenn nur die sonstigen Verhältnisse zu dieser Erklärung stimmen.

So möchte ich denn zunächst die Schichten e2, f5 und f8 h3 als gleichaltrig bezeichnen, weil alle diese landpflanzenführenden Schichten durch unmittelbare, oder nur durch ein schwaches Bonebed vermittelte Lagerung auf dem bunten Keuper ausgezeichnet sind. Vielleicht ist hierher auch das Wilmsdorfer Pflanzenlager zu ziehen.

Ferner ist es nicht unwahrscheinlich, dass b3, b3‘,.b6 und d7 einander äquivalent sind, da sie mit einander die Lagerung je über einem oben gelegenen Bonebed gemein haben; zuvor aber ist es nöthig, zu beweisen, oder mindestens wahrscheinlich zu machen, dass die oberen Bonebeds der verschiedenen Lokalitäten einander gleichstehen, da ihnen doch von verschiedenen Seiten der Werth fester Horizonte abgesprochen wird. Sollte mir dies gelingen, dann wäre es mindestens eine interessante Thatsache, dass häufig über dem oberen wie über dem unteren Bonebed ein Lager von Landpflanzen folgt.

Nicht unberücksichtigt darf freilich gelassen werden, dass vom Lande aus Pflanzen fast fortwährend in’s Meer getrieben werden, also bald in dieser, bald in jener Schicht, oder an Einem Orte in ver- schiedenen Schichten übereinander (z. B. am Seeberg in el und gl) vorkommen können, und im allgemeinen also ein so geringfügiges Pflanzenlager, wie es namentlich das erwähnte obere im norddeutschen Rhät ist, nur mit Vorsicht und Zurückhaltung als ein bestimmter Horizont angesehen werden darf, selbst wenn man ausdrücklich dessen Giltigkeit auf ein nur sehr kleines Gebiet beschränkt.

Gegenüber den Pflanzenschichten finden sich zweitens Schichten, welche fast nur thierische Reste einschliessen; und zwar haben wir zwei verschiedene Gruppen unter denen zu unterscheiden, welche bei dem Versuch einer Parallelisirung mehrerer Vorkommnisse in Betracht kommen können, die nur an Einem Orte beobachteten Schichten, z. B. die Ophiurenschichten haben eben, so gut sie auch paläontologisch charakterisirt sind, für eine Parallelisirung keinen Werth. Jene beiden Schichtengruppen mit Thierversteinerungen sind die Schichten mit Wirbelthierresten und die Schichten mit Bivalven. Beiderlei Thierabtheilungen halten sich nämlich im norddeutschen Rhät ziemlich streng von einander gesondert.

In die Bivalvenschichten hat Pflücker y Rico Ordnung zu bringen gesucht, ein Versuch, welcher bei dem im allgemeinen wie auch meist an den einzelnen Orten beträchtlichen Mangel und der ge- ringen Mannigfaltigkeit der norddeutschen Rhät-Versteinerungen durch- aus kein leichter war und deshalb um so dankbarer anzuerkennen ist, wenn man auch mit seinem Resultat nicht ganz einverstanden sein kann.

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Ptlücker unterschied Schichten, in welchen Protocardia prae- cursor, andere, in denen P. Ewaldi, endlich solche, in denen die beiden einander sehr nahe stehenden P. rhätica und P. carinata vor- herrschen sollten, wenn auch keine der genannten Arten aus den Schichten, in welchen sie nicht vorherrschte, ausgeschlossen sei.

Diese Eintheilung wird nach Pflücker paläontologisch dadurch unterstützt, dass Cardium cloacinum sich bisher nur da gefunden habe, wo P. Ewaldi häufig sei. Weitere Charakteristika sind mit Sicherheit noch nicht bekannt, doch könnte vielleicht noch angeführt werden, dass sich je einmal Lingula Suessi zusammen mit P. prae- cursor, L. Deitersensis dagegen mit P. rhaetica gefunden hat; dass ferner Avicula contorta im Wesergebirge in den Schichten der P. prae- cursor in grösseren Exemplaren vorkommt, als in denen der P. Ewaldi, und in den bisher freilich erst an zwei Orten beobachteten Schichten der P. rhaetica fehlt; dass weiter Modiola minuta ebenfalls Grössen- unterschiede zeigt, in den P. Ewaldi-Schichten nämlich kleiner ist als in Schichten, die den P. praecursor-Schichten nahestehen, freilich an verschiedenen Fundorten, so dass es zweifelhaft ist, ob dieser Unter- schied wie bei Avicula contorta mit einem Zeitunterschied in Ver- bindung steht; endlich ist Modiola minima Sow. mit Sicherheit nur aus den Schichten der P. rhaetica bekannt, scheint aber aus den- selben in den Lias überzugehen. Die Zahl der unterscheidenden Merkmale ist demnach eine sehr geringe, auf ihren Werth werde ich nachher noch zurückkommen. |

Die Schichten mit vorwaltender P. rhaetica sind bisher, wie er- wähnt, erst an zwei Orten, bei Deitersen (c 4) und am Seeberg (d 1) beobachtet, daselbst jedoch deutlich von den Schichten mit andern Faunen unterschieden.

Die Schichten, welche durch das Vorwalten von P. praecursor vor den übrigen Protocardien ausgezeichnet sein sollen, gibt Pflücker von ebenfalls nur zwei Punkten an: Seinstedt (d 8) und Wesergebirge (e5 £); das erstere Vorkommen gibt er sogar als Typus für die P. praecursor-Schichten an; man vergleiche jedoch, was ich als- bald darüber sage. Sehr unsicher ist die Stellung von g 6, da man aus den Angaben Roemers nicht ersehen kann, ob eine der Protocardien, und welche, vor den andern vorwaltet; das Vorkommen von Lingula Suessi und das Fehlen von Cardium cloacinum würden allerdings mehr auf die P. praecursor-Schichten hindeuten.

Am häufigsten, fast überall zu beobachten und zu unterscheiden sind die Schichten mit P. Ewaldi. Diese letztere Muschel ist über-

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haupt die im norddeutschen Rhät verbreitetste, aber freilich leider auch leicht mit anderen zu verwechselnde und besonders früher oft verwechselte (z. B. mit Protoc. praecursor, Anodonta postera und vielleicht auch Leda Deffneri!); unter grösster Reserve spreche ich die Vermuthung aus, dass Moestas Täniodon Ewaldi von Netra viel- leicht z. Th. (nämlich in den untern Schichten) Anodonta postera ist, da anderwärts die echte P. Ewaldi nicht so dicht über der Keupergrenze gefunden ist, wie sie bei Netra vorkommen soll. Als Typus für die P. Ewaldi-Schichten stellt Pflücker y Rico diejenigen vom Kleinen Hagen (a 3) auf; dann gehören aber dazu auch diejenigen vom Klusberg (a 3°), ferner, nach Pflücker selbst, &g 1 am Seeberg, d4 bei Deitersen, ed« im Wesergebirge (vielleicht auch noch ein Theil von b 5, wenn meine oben ausgesprochene Vermuthung sich bestätigen sollte).

Ich gebe zur Vergleichung der drei Faunen umstehend eine Tabelle, welche sich im ganzen an die Pflückers?) anschliesst:

Aus der Tabelle geht zunächst folgendes hervor: dass die Schicht d8 von a8 und b 3 auf Grund der relativen Häufigkeit der Protocardien zu trennen ist, da P. praecursor in d 8 ausserordentlich häufig, aber freilich auch fast ausschliesslich auftritt, während sie in a8 und b 8 ebenso häufig, oder vielmehr ebenso untergeordnet ist, wie die beiden andern Protocardien; Pflücker selbst hätte darum nicht so ohne weiteres diese Schichten vereinigen und ihre Gesammtfauna als Typus für die P. praecursor-Schichten aufstellen dürfen. Es könnte höchstens vielleicht als Typus einer dritten Fauna, wenn letztere durchaus auch durch das Maximum der Häufigkeit einer Protocardia charakterisirt sein soll, die Fauna von e5 £ gelten.

Ich habe in umstehender Tabelle ferner auch noch die Ver- steinerungen aus b2 nach K. v. Fritsch’s Angaben aufgeführt; man sieht daraus, dass sich möglicher Weise mindestens die Schichten mit P. praecursor und P. Ewaldi von einander würden trennen lassen, wie es auch schon K. v. Fritsch vermuthet. Berücksichtigt man je- doch noch das, was Credner 1860 über die Versteinerungsfolge ver- öffentlicht hat), bei seiner detaillirten Beschreibung und Auf-

) Man vergl. Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1861, t. VII, £.6 und ebenda 1868, t. VII. £.6 für P. Ewaldi; N. Jahrb. f. Min. 1862, t. III, f. 1 für P. prae- cursor, ebenso Zeitschr. d. d. geol. Ges. 1868, S. 416; für Anodonta postera ibid. 1868, S. 406 und N. Jahrb. f. Min. 1862, t. III, £. 3.

2) Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1868, S. 432.

3) Vergl. oben S. 10.

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Protocardia praecursor ir Ewaldi..... a rhaeticare.. & canınatae Cardium .cloacinum..... Avicula contorta....... Modiola minuta........ * minimal: Lingula Suessi......... Deitersensis.... Gervilliamilata.....:.. R praeceursor.... Myophoria postera..... beda, Deimerin. wre. Anodonta postera...... Aysculastallae. en ....% Pleuromya Moorei...... Anatina praecursor..... Pecten acuteauritus..... Cardinia Göttingensis... Gasteropoden.......... ?PosidonomyaHausmanni ? Inoceramus sp........

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zählung ist an der Richtigkeit seiner Beobachtungen gar nicht zu zweifeln; doch sind sie jedenfalls an einem andern Aufschlusspunkte als die v. Fritsch’s gemacht —, so macht sich die Ausscheidung einer P. Ewaldi- und einer P. praecursor-Schicht wieder sehr zweifelhaft; Pflücker, welcher die acht Jahre vor der seinen erschienene Arbeit Credners wohl gekannt und mit Bezug auf das Rhät am Seeberg selbst schon benutzt hat, hat es darum auch unterlassen, selbst eine Paral- lelisirung der Eisenacher Schichten mit seinen Abtheilungen vorzu- nehmen: ein Umstand, der sehr bezeichnend ist!

Pflücker y Rico glaubte aber nun doch seine paläontologische Gliederung der norddeutschen Rhätschichten, welche als solche viel- leicht schon ihm selbst auf schwachen Füssen zu stehen schien, da- durch unterstützen zu können, dass er in Verbindung mit derselben stratigraphische Verschiedenheiten, wie er meinte, nachweisen konnte.

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So fand er in der That die P. rhaetica-Schichten an den beiden Orten ihres Auftretens (Seeberge und Deitersen) über den P. Ewaldi- Schichten. Dass nun die Schichten der P. praecursor noch unter den letzteren liegen müssten, schloss er daraus, dass sie bei Seinstedt das unmittelbar Hangende der untersten Abtheilung des Rhät, des Pflanzenrhät, bildeten, und konnte dann als glänzenden Beweis für die Richtigkeit seines Schlusses die von Brandt beobachtete Schichten- folge im Wesergebirge anführen, wo die Schichten mit P. Ewaldi (e 5«) wirklich über denen mit P. praecursor (e 5 £) lagern.

Auf Grund dieser Beobachtungen glaubte Pflücker nun berech- tigt zu sein, die P. rhaetica-Schichten als „oberes“ —, die P. Ewaldi- Schichten als ‚mittleres‘ und die P. praecursor-Schichten als „unteres Protocardienrhät“ bezeichnen zu dürfen, und nannte im Gegensatze hierzu das oben erwähnte untere Pflanzenlager (c 2, f5, f8—h 8) das „Pflanzenrhät“; das obere hat er nicht als besonderen Horizont ausgeschieden. Mir erscheint statt „Protocardienrhät“ der Name „Bivalvenrhät“ bezeichnender, theils weil die von Pflücker als Protocardia aufgeführten Muscheln nicht allseitig als Protocardien anerkannt, sondern oft zu Täniodon oder Schizodus, bez. Cardium ge- rechnet werden, theils weil durch den von mir vorgeschlagenen Namen der Charakter des deutschen Rhät als einer Bivalvenfacies der Rhätformation zugleich mit zum Ausdruck gelangt.

Nach dem Gesagten ist also Pflückers Gliederung des nord- deutschen Rhät folgende: A. Oberes Protocardienrhät mit vorwaltender P. rhaetica.

B. Mittleres Protocardienrhät mit vorwaltender P. Ewaldi und mit Cardium cloacıinum.

C. Unteres Protocardienrhät mit vorwaltender P. praecursor. D. Pflanzenrhät.

Diese Gliederung stand für Pflücker so fest, dass er die That- sache gar nicht beachtete, dass in der Regel an Einem Orte auch nur Eine der drei Faunen vorkam, oder dass er dieselbe damit erklärte, dass die Schichten mit den andern beiden Faunen gar nicht, oder, wegen Versteinerungsmangels, unerkennbar entwickelt seien. In der ersten Weise hätte er das Vorkommen des „mittleren Proto- cardienrhät“ dicht und unvermittelt unter dem Lias im Wesergebirge, in der zweiten die meisten übrigen Fälle erklären müssen. Es lässt sich diese Erklärung wohl annehmen, doch werden wir sehen, dass eine andere viel einfacher ist.

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Ferner: dass es zwischen zwei Faunen Uebergänge gibt, deren Zuziehung zu der einen oder zu der andern willkürlich ist, kann bei zeitlich unterschiedenen Faunen ebenso vorkommen wie bei räumlich unterschiedenen. Wenn aber von drei gegebenen Faunen die eine als die ältere, die zweite als die jüngere, die dritte als Uebergang zwischen beiden zu betrachten ist, dann darf jedenfalls letztere (bei normaler, ungestörter Lagerung) nie unter der ersten auftreten, und doch liegt bei dem Eisenacher Räth, nach Credners Beobachtung, diese Thatsache vor: unten Schichten mit P. Ewaldi und P. rhaetica, darüber solche nur mit P. Ewaldi! und Credner gibt von dort keine überkippte Lagerung an! Da diese Thatsache ein schlagender Beweis gegen Pflückers Ansicht von einem bestimmten stratigraphischen Werth seiner Faunen ist, so hat dieser Forscher auch aus diesem Grunde es vermieden, die Crednerschen Beobachtungen bei Eisenach in seiner Arbeit in Betracht zu ziehen.

Um nun nochmals auf die paläontologischen Thatsachen zu Gunsten einer chronologischen Trennung der drei Faunen zurückzu- kommen, so habe ich schon oben bemerkt, dass ihre Zahl eine sehr geringe ist. Ebenso ist aber auch ihr Werth ein sehr zweifelhafter. Schon die Thatsache, das unterscheidende Merkmal der drei Faunen auf die relative Menge des Vorkommens bestimmter Arten zu legen, ist wenig geeignet, die so unterschiedenen Faunen als chronologisch differente erscheinen zu lassen. Auch die Grössenvarietäten von Avi- cula contorta und Modiola minuta in den P. praecursor- und den P. Ewaldi-Schichten lassen noch eine andere als eine chronologische Erklärung zu.

Ich stehe deshalb nicht an, den drei verschiedenen Faunen nur eine örtliche, keine durchgreifende zeitliche Bedeutung beizulegen und darf demnach dieselben nicht zur Grundlage einer allgemeinen, chro- nologischen Gliederung, sondern höchstens einer chorologischen, machen. Ich führe also die allerdings nicht zu leugnenden, wenn- gleich nur sehr geringen Faunenunterschiede auf beginnende Aus- bildung verschiedener Facies zurück, welche nicht so bedeutend war, dass eine grundverschiedene Fauna und ganz und gar von einander abweichende petrographische Verhältnisse hätten die Folge sein kön- nen. Nach meiner Auffassung siedelte sich infolge geringer örtlicher Verschiedenheiten in den physikalischen Verhältnissen bei im grossen und ganzen gleicher Beschaffenheit des Meeres an dem einen Orte vorwiegend P. praecursor (neben ihr aber auch die beiden andern Protocardien), an einem andern Orte mehr P. rhaetica an, während

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im allgemeinen P. Ewaldi am verbreitetsten und häufigsten war. Durch geringfügige Aenderungen der physikalischen Verhältnisse an einem Orte konnte dann leicht eine Verschiebung der Faunen derart eintreten, dass jetzt da, wo früher die eine der drei Faunen lebte, diese vor einer der beiden andern weichen musste, und so das erst neben einander Vorgekommene stellenweise auch über einander zu liegen kam.

Die oben erwähnte Grössendifferenz der Avicula contorta und Modiola minuta in den Schichten der P. praecursor und P. Ewaldi lässt sich aus der hier vertretenen Anschauung bloss chorologischer, nicht chronologischer Verschiedenheit der beiden Protocardienschichten ebenfalls sehr einfach erklären.

Es bleibt uns von Bivalvenschichten noch eine übrig, welche nach den bisherigen sicheren Beobachtungen vielleicht besser geeignet ist, in dem norddeutschen Rhät einen bestimmten Horizont zu charak- terisiren: die sog. „Gurkenkernschicht‘“, welche von Anodonta postera mit Ausschluss anderer Versteinerungen geradezu erfüllt ist!). Prächtige Platten davon sind an den Seebergen bei Gotha (i 1) gefunden worden, an der Wachsenburg und Bittstedter Höhe bei Arnstadt kommt nach mir gütigst mitgetheilten Beobachtungen E. E. Schmids dieselbe Schicht vor; von Eisenach (d2) erwähnt sie K. v. Fritsch; Strombeck, Schlön- bach und Pflücker y Rico führen sie von einer ganzen Anzahl Orte in der Umgebung von Braunschweig, Halberstadt, Helmstädt und Quedlinburg auf, z. Th. freilich als Cardinia, z. Th. als Leda Deffneri die Anodonta beschreibend?.) Nach allen neueren Beobachtungen findet sich diese „Gurkenkernschicht‘ nahe der Basis des Rhät, bei Gotha 6’ über dem Keupermergel, bei Eisenach in der untersten Partie des Pflanzenrhät, ebenfalls sehr nahe der Keupergrenze. Ob die ältere Beobachtung richtig ist, dass die Halberstädter „Cardinienschichten“ nahe der Lias- grenze liegen, bleibt abzuwarten. Sollte sie sich bestätigen, dann würde auch die Anodonta-Schicht den Werth eines Horizontes verlieren; aber auch andernfalls würde derselbe immer nur als ein regionaler aufzufassen sein.

Wenden wir uns nun zu denjenigen Schichten, welche nur (oder fast nur) Wirbelthierreste einschliessen, zu den Bonebeds, so

l) Es scheinen übrigens eine Anzahl Varietäten dieser Art zu bestehen, deren geographische Verbreitung aber noch nicht studirt ist.

2) Es soll hier übrigens nicht gesagt sein, dass ich die Bestimmung der Gattung als Anodonta für unzweifelhaft richtig halte.

Sonate

möchte ich denselben im Gegensatz zu Pflücker y Rico u. A. für Nord- deutschland einen bestimmten stratigraphischen Werth beilegen, auf Grund meiner Ansicht von ihrer Entstehung, ich möchte also, da sich an einer Anzahl von Orten zwei Knochenlager über einander haben beob- ‚achten lassen (d3:f3; c3’:d43% c6:i6; e7:g7; c8:iBß), alle unteren Bonebeds mit einander parallelisiren und ebenso alle oberen; Bei Salzgitter scheint jedes Lager (e7 und g 7) in zwei Bänken aus- gebildet zu sein, andererseits ist an einigen Orten (Gotha il, Eisenach d 2, Deitersen f 4; Wesergebirge e5y) bisher erst Ein Bonebed be- obachtet, aber die Lagerungsverhältnisse gestatten überall eine zwei- fellose Entscheidung der Frage, ob dies eine Knochenlager als das obere oder untere aufzufassen sei. Vielleicht lässt sich bei genaueren Untersuchungen auch noch ein paläontologischer Unterschied zwischen beiden Lagern erkennen; einstweilen gestattet die an zwei Orten (bei Göttingen und Hildesheim, c und c 6) gemachte Beobachtung, dass die Knochenstücke des oberen Lagers grösser sind, als die des unteren, nur erst noch die Vermuthung, dass die grösseren Knochenstücke auch von grösseren Thieren herrühren. Es ist sehr wünschenswerth, dass geprüft wird, ob jene Grössendifferenz thatsächlich auf der ver- mutheten Verschiedenheit der Thierspecies beruht.

Was nun meine oben mitgetheilte Ansicht über den stratigra- phischen Werth der Bonebeds betrifft, so steht ihr zunächst entgegen, dass Pflücker y Rico in Uebereinstimmung mit K. v. Seebach es für „falsch“ erklärt!), ein Bonebed zu einem constanten, leitenden Hori- zont zu machen; „dem widerspreche schon das Vorkommen von nicht weniger denn vier Knochenlagern in der unmittelbaren Nähe von Göttingen;* es sind die oben aufgeführten beiden Lager am kleinen Hagen und die beiden am Klusberg. Ich habe aber schon oben ge- zeigt, dass wenigstens nach den mir bekannten Beobachtungen vom stratigraphischen Standpunkte aus durchaus kein Hindernis ent- gegensteht, im Gegentheil die jedesmal begleitenden Schichten dafür sprechen, dass man die vier Lager auf zwei Horizonte vertheilt; die verschiedene Mächtigkeit der Zwischenbonebedschicht dürfte kein ernstes Hindernis sein.

Berechtigter erscheint vielleicht für einen Augenblick der Ein- wurf, das Bonebed könne doch eigentlich nur als ein zu einem grossen Theil organogenes Gestein, mithin nur als eine allerdings eigenthümliche, petrographische Facies irgend einer beliebigen Schicht

1) Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1868, S. 404.

Te

des Rhät angesehen werden, welche ebensowenig auf bestimmte Horizonte beschränkt zu sein brauche, wie eine rein anorgano- gene Schicht. Als Analogon könnte man aufführen, dass z. B. die Schwammschichten im Jura nicht auf eine einzige bestimmte Zone beschränkt sind.

Dieser Einwurf ist aber nur theilweise gerechtfertigt, denn inner- halb bestimmter kleinerer oder grösserer Bezirke bleibt sich doch die Gesteinsbeschaffenheit einer Schicht gleich und kann zur Wiederer- kennung dieser Schicht benutzt werden.

Ferner halte ich aber auch ein Bonebed für ganz anders ent- standen als andere organogene Gesteine. Denn während es bei Fora- miniferen, Korallen, Schwämmen, Torfmoos u. s. w. noch immer zu beob- achten ist, dass diese Wesen an einzelnen Punkten so massenhaft ge- deihen, dass sie gesteinsbildend wirken, ist der Fall bisher noch nicht beobachtet, dass eine mannigfaltige Wirbelthierfauna fast rein und mit so grosser Individuenzahl irgend wo lebte, dass unter normalen Verhältnissen ein Bonebed von der thatsächlich zu beobachtenden Beschaffenheit des rhätischen Bonebeds entstehen könnte. Wenn auch schon mehrfach die Beobachtung gemacht ist, dass zur Laichzeit ver- sammelte Fische, von grösseren Räubern verfolgt, in ungeheuren Schaaren der Küste zuflüchten und hier in ebenso ungeheurer Menge zu Grunde gehen!), so weicht doch ein rhätisches Bonebed von einem auf jene Weise entstehenden recenten ganz und gar durch die Mannig- faltigkeit der in ihm eingeschlossenen Wirbelthierreste ab, welche so augenfällig und charakteristisch und so gross ist, dass man zu der Annahme gezwungen ist, es liege in den Bonebeds die ganze, jedesmal an dem betreffenden Ort vorhandene Wirbelthierfauna begraben, durch ein plötzliches, allgemeines Sterben vernichtet.?2) In dieser Annahme ist aber zugleich mit die einer Art Katastrophen eingeschlossen. Die Ursache und besondere Erscheinungsart dieser Katastrophen ist uns freilich noch völlig unbekannt, ihre Wirksamkeit ist vielleicht auf die Vernichtung der Vertebratenfauna (natürlich nur innerhalb eines umgrenzten Gebietes), beschränkt gewesen, ohne auf die meisten

!) Vergl. N. Jahrb. f. Min. 1883, 2. Beilagebd. S. 515.

2) Dass die Fischreste doch noch vor den anderen vorherrschen, erklärt sich leicht daraus, dass jedenfalls auch damals, gerade wie jetzt, die Fische den Hauptbeitrag zur gesammten Meeres-Wirbelthierfauna geliefert haben, und dass die Gesammtzahl der knöchernen Bestandtheile eines Fischleibes grösser ist als bei einem Amphibien- oder Reptilienleib (unter den knöchernen Bestandtheilen nicht nur das innere Skelett, sondern äuch den Hautpanzer verstanden!)

Zee

übrigen Thiere von merklichem Einfluss zu sein. Die Thatsache der überall ungestörten Lagerungsverhältnisse lehrt ferner, dass jene Kata- strophen nicht Folgen grossartiger Niveauschwankungen gewesen sind, wenn man auch andererseits zuerst an kleine lokale Bodenerhöhungen oder -Senkungen denken möchte, welche etwa das der Katastrophe verfallende Gebiet von dem unter normalen Verhältnissen bleibenden abschnürten. Dass ich die Anschauung Üuviers von gewaltigen, die gesammte Erdoberfläche betreffenden Revolutionen durchaus nicht theile, glaube ich zwar im Vorhergehenden klar genug zu erkennen gegeben zu haben, will es aber nochmals ausdrücklich erklären. Auf der andern Seite aber glaube ich, dass sich die Geologie der An- nahme von auf bestimmte, vielleicht 'nicht einmal immer sehr kleine, Gebiete beschränkten und innerhalb derselben mehr oder minder tief in die gesammte dort lebende Fauna und Flora eingreifenden Kata- strophen nicht wird entschlagen können.

Verdanken nun die rhätischen Bonebeds, wie ich glaube wahr- scheinlich gemacht zu haben, ihre Entstehung ebensolchen Katastrophen, dann darf man ihnen nicht nur einen bestimmten stratigraphischen Werth nicht absprechen, sondern muss ihnen sogar die Bedeutung ausgezeichnet scharfer Horizonte zuerkennen.

„Dann müsste sich aber auch“, wird mir eingewandt, „jedes der beiden Bonebeds an jedem Orte des Gebiets jener Katastrophen wiederfinden; die bisherigen Beobachtungen bestätigen dies aber nicht; denn an einzelnen Orten haben sie nur Ein Bonebed kennen gelehrt.‘ Abgesehen davon, dass sich thatsächlich auch die bekannten Bonebeds erst lange genug der Wahrnehmung entzogen hatten, und künftige Beobachtungen also auch noch das zweite Bonebed da nachweisen können, wo es bisher zu fehlen schien, lässt sich der etwa in der That vorhandene lokale Mangel leicht daraus erklären, dass das ge- sammte norddeutsche Rhät eine Strand- oder Seichtwasserbildung ist, bei der die Wogen das Gesteinsmaterial hier mehr, dort weniger anhäufen mussten und so auch die Trümmer der Fisch- und Saurier- leichen Schuppen, Zähne, Wirbel, Knochentafeln u. s. w. hier in Menge, dort vielleicht gar nicht anspülten.

Ich verhehle mir nicht, dass mein Beweis für die Brauchbarkeit der rhätischen Bonebeds als fester Horizonte ein noch ungenügender ist, da er ja diese Brauchbarkeit nur erst als eine allerdings von vorn herein wahrscheinliche hingestellt hat: es mangelt noch der thatsächliche Nachweis an der Hand der wirklichen Beobachtungen.

Für das untere Bonebed des Rhät ist dieser Nachweis leicht,

a

denn wir finden dasselbe (il, d2, f3, d3°%, f4, 16, 87, i 3) überall an der Basis des gesammten Rhät, entweder die Grenze selbst bil- dend zwischen den heteropischen Sedimenten des Keupers und Rhät, oder dicht über dieser Grenze. Bisher scheint es nur im Weser- gebirge noch nicht beobachtet zu sein, sonst aber ist es in Nord- deutschland allgemein verbreitet und als „Hauptablagerung der Grenz- breccie“ am meisten augenfällig.

Für das obere Bonebed ist dagegen der thatsächliche Nachweis, dass es an allen Orten seines Vorkommens denselben Horizont reprä- sentire, schwieriger zu führen, denn die schon erwähnte Thatsache, dass es fast überall (ce 3, ce 3%, c6, e7) an der Basis eines Pflanzen- lagers (b 3, b 3‘, b 6, d 7) sich befindet, ist bisher die einzige, welche angeführt werden kann.

Eine Frage könnte noch aufgeworfen werden; wie sich nämlich die verschiedenen Bivalvenfaunen stratigraphisch den Bonebeds gegen- über verhalten. Bezüglich des unteren Bonebeds ist die Antwort einfach: dieses liest eben stets unter allen; bezüglich des oberen kann sie aber natürlich nicht allgemein ausfallen, da nicht feste Horizonte in feste Horizonte einzuordnen sind, sondern die verschie- denen Faunen eine beliebige, nur lokal bestimmte Lagerung einnehmen. Da zeigt sich denn, dass die P. rhaetica-Schichten bisher noch nicht in direkter Beziehung zu einem Bonebed aufgefunden sind. Die beiden anderen Faunen sind dann zwar im Wesergebirge zugleich entwickelt, aber es liegt keine bestimmte Beobachtung über die Lagerung des Bonebeds innerhalb dieser Faunen vor. Bei Göttingen liegen am klemen Hagen wie am Klusberg die P. Ewaldi-Schichten dicht über dem oberen Bonebed, bei Hildesheim ist das Hangende des letzteren versteinerungsleer, das Liegende wird von Schichten gebildet, deren Zugehörigkeit zur P. praecursor-Facies nur wahrscheinlich, nicht sicher ist; bei Salzgitter waren die Hangend- und Liegendschichten bisher paläontologisch nicht charakterisirbar, endlich bei Seinstedt ist das Hangende unbestimmt, das unmittelbar Liegende gehört möglicher Weise zur P. praecursor-Facies. Würde man die Pflückersche Gliede- rung doch als durchgängig giltig anerkennen, so würde man aus den eben angeführten Beobachtungen schliessen, dass das obere Bonebed wahrscheinlich die Grenze zwischen dem unteren und mittleren Pro- tocardienrhät bildet. Wir werden bei Besprechung des süddeutschen Rhät eine Thatsache kennen lernen, welche dies zu bestätigen geeignet wäre. Von meinem Standpunkte aus erkläre ich diese Thatsache natürlich nur für ein zufälliges Zusammenstimmen.

BEN

Es bleibt mir schliesslich noch übrig, für die oben ausgesprochene Behauptung, das norddeutsche Rhät sei eine Seichtwasserbildung, den Beweis zu liefern.

Als Beweismittel gelten: 1. Das Schwanken der Schichtenmächtigkeit innerhalb kurzer

Strecken. Dabei ist vorausgesetzt, dass Ergüsse von Erup- tivgesteinen (nebst Aschenregen), ebenso gesteigerte Orga- nismenthätigkeit, welche lokal einen bedeutenden Einfluss auf die Schichtenmächtigkeit gewinnen können, nicht in Be- tracht kommen. (Uebrigens findet gesteigerte Organismen- thätigkeit in den meisten Fällen auch in der Littoralregion statt.)

Gewisse Strukturverhältnisse und Oberflächenformen des Sedi- ments, welche mit dem Wellenschlag des Wassers und zeit- weiliger, kurzdauernder Trockenlegung des Meeresbodens in ursächlicher Verbindung stehen: discordante Parallelstruktur, Wellenfurchen, Trockenrisse, bez. Netzleisten.

. Weithin ausgedehnte Ablagerung groben mechanischen Sedi-

mentes, häufiger Wechsel der Art des Sediments, abgerollte oder zertrümmerte Organismenreste: Sandsteine und Conglo- merate, Muschel- und Knochenbreccien.

Der Charakter der Fauna, bestehend im Auftreten, bez. Fehlen bestimmter Organismen-Gruppen, -Familien, -Gattungen und im Habitus (Grösse und Beschaffenheit) der vorhandenen Arten. Dass übrigens das, wenngleich zahlreiche Vorkommen von Landpflanzen, Landschnecken, Insekten u. s. w. an sich noch durchaus nicht für den Seichtwasserursprung der be- herbergenden Schichten spricht (obwohl man es gewöhnlich annimmt), hat neuerlich Th. Fuchs!) hervorgehoben.

Es gilt nun, das Vorhandensein der aufgeführten charakteristi-

schen Merkmale der Seichtwasserbildungen am norddeutschen Rhät nachzuweisen.

Bezüglich der Mächtigkeit des Rhät liegen mir folgende Zahlen

vor: Die Gesammtmächtigkeit beträgt bei Gotha 110 Fuss (wobei ich bei schwankender Mächtigkeit der Theilschichten die niedrigeren Werthe zu Grunde gelegt habe); bei Eisenach nach den Angaben von v. Fritsch 30—36 m, nach denen von Credner 50 bis 55 Fuss; also

!) Th. Fuchs, Welche Ablagerungen haben wir als Tiefseebildungen zu

betrachten? N. Jahrb. f. Min. 1883, 2. Beilagebd. S. 498.

Ep

ein etwa halb so grosser Werth; v. Fritsch giebt dabei dem oberen, mergeligen Horizont eine Mächtigkeit von 16 m und mehr, Credner von 25—30‘, v. Fritsch dem Pflanzensandstein darunter von 14—20 m, Credner nur von 25°: beide Forscher haben jedenfalls, wie auch aus ihren Petrefaktenlisten hervorgeht, an zwei verschiedenen Auf- schlusspunkten gemessen, die aber einander gewiss nahe genug lagen! Bei Göttingen beträgt die Gesammtmächtigkeit am kleinen Hagen mindestens 12,9 m, bei Deitersen 42—46 m, im Weser- gebirge (allerdings nach einem Sammelprofil) 250°, am Krählah bei Hildesheim (soweit die Schichten dort aufgeschlossen waren) 13 m, in der Schnigelade bei Salzgitter etwa 150. Wie die Gesammt- mächtigkeit, so schwankt auch die Mächtigkeit einzelner Schichten von Ort zu Ort bedeutend: ich führte eben schon Beispiele hierfür aus der unmittelbaren Nähe von Eisenach an; ausserdem verweise ich auf das, was Schlönbach über die Mächtigkeit des „Bonebedquaders“ bei Salzgitter sagt!); endlich habe ich oben schon darauf hingewiesen, dass die bei Salzgitter 70° mächtige Interbonebedschicht bei Hildes- heim nur 6—7 m, bei Göttingen endlich gar nur 1,7 m mächtig ist.

Bezüglich des zweiten oben angegebenen Punktes finde ich in der bisherigen Litteratur nur für den Seeberger Sandstein die An- gabe, dass er von zahlreichen Wellenfurchen eine schön gekräuselte Oberfläche der Schichten erhalten habe.

In Bezug auf den dritten Punkt brauche ich bloss auf die mächtigen Sandsteinbildungen bei Gotha, auf den z. Th. noch mäch- tigeren „Bonebedquader“ bei Salzgitter hinzuweisen und die Thatsache zu erwähnen, dass das Bonebed in der Regel aus einem recht groben Sandstein besteht. Ein Blick auf die oben beschriebenen Profile zeigt ferner sogleich den häufigen Sedimentwechsel verschiedenartiger und verschiedenfarbiger Sandstein-, Letten-, Mergelschichten. Ferner: Die Vertebratenleichen sind zertrümmert, die Knochen zerbrochen und abgerieben; aus dem obern mergeligen Rhät vom Seeberg wird ange- geben, dass die Schalen der seltenen Petrefakten „zerstört“ seien.

Der Charakter der ärmlichen Fauna endlich ist zwar ein eigen- artiger und ich werde ihn später eingehender zu besprechen haben. Doch ist sicher, dass alle Tiefseeformen vollständig fehlen. Die bei Seichtwassermollusken offener Meere regelmässige bedeutende Grösse, Dickschaligkeit und Formenschönheit fehlt allerdings! Immerhin aber, glaube ich, werden neben dem Fehlen der Tiefseeformen die stra-

I) Vergl. oben S. 17.

ae

tigraphischen und morphologischen Thatsachen, welche ich aufgeführt habe, genügen, um die ehemalige Sedimentirung des norddeutschen Rhät aus Seichtwasser sicher zu stellen.

C. Das süddeutsche Rhät. 10. Das Rhät bei Langenbrücken.

Wenn man einen Blick auf die v. Dittmarsche Karte der Ver- breitung des Rhät wirft, so könnte man vermuthen, dass das badische Vorkommen bei Langenbrücken gerade die meiste Abweichung vom norddeutschen Rhät zeigt, da es räumlich am weitesten von diesem getrennt zur Entwickelung gekommen zu sein scheint. Die Beob- achtungen von Definer und Fraas!) lehren aber folgendes:

a 10. Schwarzblaue Kalkbank mit Amm. planorbis.

b 10. Bis 20° mächtiger Thon, sandig oder mergelig, mit Anodonta postera ?), Avicula contorta, Pecten acuteauritus, Cyclas postera Deffn., Lingula Suessi, etec.; „zerstreut“ fänden sich auch Fischreste und echte Pterodactylusknochen.

c 10. Gelblichweisser Sandstein, bis 50° mächtig, nur mit Anodonta postera und vielen Pflanzenresten, von denen nur Calamites arenaceus bestimmbar war.

d 10. Bunter Keupermergei.

Wir finden also das Pflanzenrhät mit der „Gurkenkernschicht“, als Sandstein ausgebildet, von dem darüber liegenden thonigen Bi- valvenrhät genau in gleicher Weise verschieden, wie an vielen Orten Norddeutschlands, und insbesondere mit dem von v. Fritsch beschrie- benen Eisenacher Vorkommen zeigt sich in vielen Punkten eine über- raschende Aehnlichkeit, sodass man an eine besonders enge Ver- bindung dieser beiden Absatzgebiete zur Rhätzeit denken möchte.

Ob-die Beobachtung richtig ist, dass die Wirbelthierreste wirklich „zerstreut“, oder nicht vielmehr auch hier zu einem (dann wahrschein- lich dem unteren norddeutschen entsprechenden) Knochenlager gehäuft sind, muss eine Revision entscheiden.

I) Deffner und Fraas, Juraversenkung bei Langenbrücken, N. Jahrb. f£, Min. 1859, 8. 1.

2) Diese Bestimmung der „unsichern Bivalve“, obwohl vom Schöpfer des Namens Anodonta postera selbst ausgehend, ist jedenfalls anzuzweifeln, wie Deffner andrerseits auch die sogleich (in ce 10) zu erwähnende, nach mehrfachen neueren Bestimmungen echte A. postera fälschlich als Schizodus Ewaldi aufführt.

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11. Das Rhät in Württemberg.

Vom badischen Rhät jetzt durch den Schwarzwald getrennt dehnt sich entlang dessen Südostfuss an der Grenze der Trias- und Juraschichten fast von der Donau an über Täbingen, Tübingen, Nür- tingen, Stuttgart, Esslingen ein zusammenhängender Streifen der „Grenzschichten“ aus, welcher die erste reiche Petrefaktenausbeute geliefert und dadurch die wichtigen Untersuchungen von Oppel und Suess „über die muthmasslichen Aequivalente der Kössener Schichten in Schwaben“ veranlasst hat.

Es erreicht das Rhät in Württemberg nirgends die bedeutende Mächtigkeit des norddeutschen: 30° ist die grösste, welche beobachtet ist. Seine petrographische Ausbildung wechselt auf kurze Erstreckungen hin; der versteinerungsleere Sandstein z. B., welcher von Nürtingen und Esslingen im Liegenden des Muschellagers angegeben wird, fehlt an ganz nahe, z. Th. sogar zwischengelegenen Orten (Dusslingen, Degerloch) ganz!), ebenso oft verschwindet auch der Sandstein im Hangenden des Bonebed, und es bleibt zuletzt an vielen Stellen vom gesammten Rhät nur eine wenig mächtige Thon- und Lettenbank, z. Th. Kohlenschmitzchen und Schwefelkies führend, und das Bonebed übrig.

Dieses ist überhaupt an jedem Aufschluss des schwäbischen Rhät zu finden, und wegen dieser Constanz ist letzteres sogar in seiner Gesammtheit mit dem Namen „Bonebed‘‘ oder „schwäbische Kloake“ belegt worden. Aber es ist die Frage, ob die Bonebeds aller Fundpunkte einem einzigen Horizont angehören, denn es sind bei Frittlingen in der That zwei Knochenlager über einander gefun- den worden, und die Muschellager nehmen an verschiedenen Orten ein verschiedenes Lagerungsverhältnis gegenüber dem Bonebed ein, wie die Vergleichung der Profile von Nürtingen und Esslingen lehrt, leider der beiden einzigen, welche (soweit mir bekannt ist) genau aufgenommen sind, während über andere nur kurze Mittheilungen vorliegen. Oppel und Suess und später wieder Quenstedt vertreten nun die Ansicht, dass das Bonebed in beiden Profilen demselben Horizont angehöre, demnach das Nürtinger Muschellager unter der Zahnbreccie das ältere, das Esslinger in und über derselben das jüngere sein muss. Dittmar dagegen veranlasste „die Analogie der Verhältnisse in Mitteldeutschland“, zwei verschiedene Knochenlager und dafür wie es scheint, wenn er es auch nicht ausdrücklich angibt

1) Oppel, die Juraformation, S. 13. Zr

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Identität der Muschellager anzunehmen. Die allgemeine Ueberzeugung ist gegen Dittmar; thatsächliche Beobachtungen aber über die wirkliche Identität der Bonebeds durch schrittweises Verfolgen derselben von einem Fundort bis zum andern scheinen, so wünschenswerth sie auch sind, doch noch nicht vorzuliegen.

Von ganz andrer Seite aus glaubte nun Pflücker y Rico die Ver- schiedenheit der Muschellager beweisen zu können!). Er glaubte näm- lich eine fast durchgängige Uebereinstimmung der Esslinger Fauna mit der seines mittleren und der Nürtinger mit der seines unteren Protocar- dienrhät finden zn können und damit zugleich einen neuen Beweis für die durchgängige Anwendbarkeit seiner Gliederung in Händen zu haben. Ich führe hier zur näheren Beleuchtung dieser Frage zunächst die beiden schwäbischen Profile mit den Petrefakten an.

11. Esslingen. 12. Nürtingen.

a11. Planorbisbank a 12. Planorbisbank

b ı1l. 7“ Thon b 12. Letten und lockerer Sand mit

c 11. 8“ hellgrauer Sandstein mit Spuren des Bonebed Protocardia Ewaldi h ce 12. 7— petrefaktenleerer Sand- Cardiunı cloacinum h stein Avicula contorta hh, klein d 12. Sandstein mit Gasteropo- Modiola minuta h, klein denkernen (Chempitzia, Actäonina, Pecten acuteauritus hh Nerita etc.) und Leda Deffneri s Avicula contorta hh, gross ?) Protocardia rhaetica Gervillia praecursor hh

d11. Bonebed, in und unter der Modiola minuta h, gross Muschelschicht Myophoria postera h

e 11. 6“ hellgrauer Thon Cypricardia suevica s

f 11. gelbe harte Sandsteine Anatina praecursor s

g 11. Bunte Keupermergel. e 12. 10 20° versteinerungsleerer

Sandstein

f 12. Keupermergel.

Eine Vergleichung der Esslinger Fauna mit der für das „mittlere Protocardienrhät‘“ typischen vom Kleinen Hagen lehrt nun allerdings als beiden gemeinsam kennen die charakteristischen Protoc. Ewaldi und Cardium cloacinum ; bemerkenswerth ist ferner, dass auch bei Ess- lingen die A. contorta in ihrer kleinen Varietät (cloacina Qu.) auftritt, gerade wie in den zum mittleren Protocardienrhät gezählten oberen Schichten im Wesergebirge, und ebenso endlich Modiola minuta bei Ess- lingen wie beiGöttingen durch kleine Exemplare vertreten ist. Andrerseits

I) Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1868, S. 428. 2) Nach Quenstedt, Jura, 8. 31.

Be

zeigt freilich die Nürtinger Fauna von der mit ihr verglichenen Fauna des unteren Protocardienrhät von Seinstedt eine bedeutende Abweichung, insofern in ihr gerade die P. praecursor ganz ‘fehlt, welche doch die charakteristische Leitmuschel des genannten Horizontes bilden sollte. Wir haben jedoch gesehen, dass P. praecursor auch bei Seinstedt ihr Hauptlager getrennt von den übrigen Bivalven hat; an die letzteren hat dann freilich die Nürtinger Fauna insofern einigen Anklang, als Modiola minuta und Avicula contorta beiderseits in grossen Individuen vorkom- men (in Norddeutschland ist dies für Mod. minuta bei Göttingen, für A. contorta in der für äquivalent gehaltenen Fauna von e 5 # im Weser- gebirge nachgewiesen.)

Wäre die Parallelisirung der beiden schwäbischen Muschellnger mit dem untern und mittlern Bivalvenrhät Norddeutschlands richtig, und wären letztere beide Abtheilungen des Rhät wirkliche Hori- zonte, so würde das schwäbische Bonebed ungefähr die gleiche Lagerung haben, die das obere norddeutsche zu haben scheint. Die auffällige Thatsache, dass das letztere noch weit von der Planorbis- bank des Lias entfernt ist, während das schwäbische stellenweise sogar mit einzelnen Knöcheln in die Liasbank hineinragt, müsste dann damit erklärt werden, dass in Norddeutschland der Schichten- absatz überhaupt ergiebiger war als in Schwaben, und hier demnach Aequivalente norddeutscher Schichten in ihrer Mächtigkeit auf Null herabsinken können; komme dies doch in Schwaben an schwäbischen Schichten selbst vor! Mir stellt sich natürlich die Thatsache der biologischen Uebereinstimmung schwäbischer und norddeutscher Rhät- schichten in ganz anderem Lichte dar: ich erkenne eben im Esslinger Muschellager nur die Facies des Rhät vom kleinen Hagen wieder und sehe das Nürtinger auch nur als eine Facies, nicht als einen be- stimmten Horizont an. Dann macht auch die Thatsache, dass das P. Ewaldi-Rhät in Schwaben dicht unter dem Lias liegt, für die Er- klärung keine Schwierigkeit mehr. Nur könnte dann das schwäbische Bonebed nicht einmal mehr dem oberen norddeutschen äquivalent sein, da dieses eben noch weit unter der Liasgrenze liegt, oder man müsste annehmen, dass nach Verlauf der zweiten Bonebed-Kata- strophe (die also die Bildung des schwäbischen und oberen nord- deutschen Bonebeds herbeiführte), in Schwaben die Liasfauna eher eingewandert sei, daselbst eher günstige Bedingungen gefunden habe, als in Norddeutschland: eine Annahme, welche u. A. durch die grössere Nähe Schwabens an dem Mediterrangebiet, von dem aus jedenfalls die Einwanderung erfolgte, gerechtfertigt ist. Auch die durch die Gesteins-

Er re

beschaffenheit angedeutete grössere Meerestiefe zur Zeit des A. plan- orbis in Schwaben gegenüber Norddeutschland lässt vermuthen, dass sich die Liasammoniten dort eher einbürgern konnten. Wir hätten dann übrigens den interessanten Fall, dass in Norddeutschland noch die. Rhätfauna lebte, als in Schwaben schon einige Zeit, sozusagen, die Liaszeit hereingebrochen war!

Es möge hier noch bemerkt sein, dass die Esslinger Rhätfacies glücklichen Petrefaktenfunden zufolge auch am grossen Gleichberg bei Meiningen auftritt. Nachdem dort schon Emmrich lose Sand- steinstücke mit Cardium cloacinum gefunden, hat neuerlich Proe- scholdt den Fundort weiter ausgebeutet. Mir sind durch die Freund- lichkeit des genannten Herrn Stücke zugegangen, welche folgende Petrefakten führen: Cardium cloacinum hh, Schizodus an Nucula sp.? h, seltener Leda cf. clavellata, Avicula contorta var. minor sive cloa- cina, endlich auch wie bei Esslingen zusammen mit den ge- nannten Bivalven Fischschuppen und Saurierschildstückchen. Ein- gehendere Mittheilungen wird jedenfalls Proescholdt selbst noch machen.

13. Das fränkische Rhät.

In nordöstlicher Richtung setzt sich der Rhätstreifen, den wir durch Schwaben verfolgt haben, nach Franken hinein bis in die Gegend von Bayreuth und Culmbach ununterbrochen fort. Gümbel hat sich der Mühe unterzogen, diesen Zusammenhang Schritt für Schritt zu verfolgen; er hat hierbei zwar petrographisch nicht immer übereinstimmende Schichten gefunden, doch konnte er dieselben weder zum Lias noch zum Keuper ziehen, musste sie also für rhätisch an- sehen.!) Thierversteinerungen zur weiteren Bestätigung sind freilich äusserst selten oder eigentlich noch gar nicht gefunden worden: Limulus liasokeuperinus, Käfer und die von Gümbel aufgeführte „Cardinia cf. acuminata“ geben keinen Ausschlag, da sie anderweitig noch nicht beobachtet sind, es müsste denn vielleicht letztere Art mit Anodonta postera identisch sein (eine Vermuthung, die ich nur unter grosser Reserve ausspreche, da ich die Cardinia aus eigner Anschauung nicht kenne und doch Anodonta postera bei Coburg?) beobachtet sein soll). Ein Bonebed ist, wenn überhaupt, dann

!) Gümbel, Ueb. d. Knochenbett u. d. Pflanzensch. in d. rhät. Stufe Frankens. Sitzungsber. d. k. Acad. d. Wiss. München 1864. Gümbel, d. geogn. Verh. d. fränk. Triasgebiets. Bavaria, Bd. 4, Heft 11, S. 47.

2) Nach Credner, Grenzgebilde ete. N. Jahrb. f. Min. 1860.

ee

immer nur in Spuren entwickelt; da es stets der Liasgrenze nahe liegt, so parallelisirt es Gümbel mit dem schwäbischen Hauptknochenlager.

Nach letzterem Forscher lässt sich neben der schwäbischen, in der Regel durch Sandsteine mit untergeordneten Letten vertretenen Facies mit Thierresten (eben in Schwaben) die „fränkische Facies“ unterscheiden (in Nordostfranken) als eine sehr mächtige, aber ver- steinerungsleere Sandsteinetage mit einzelnen (1—3) eingelagerten, der Mächtigkeit nach sehr untergeordneten, aber durch ihren Reichthum an ausgezeichnet erhaltenen, mannigfaltigen Pflanzenresten berühmt gewordenen Lettenlagen, und endlich zwischen den genannten beiden Facies als dritte die „Hesselberger Mittelfacies“ in Südwestfranken, eine ganz vorwiegende Lettenbildung von sehr geringer Mächtigkeit, fast ohne Sandsteinentwickelung und ohne ein wirkliches Bonebed; eine Eisenkies und Kohlenbrocken führende Schicht mit groben Sandkörnern und mit der Cardinia cf. acuminata erinnert allerdings noch an die in dem Gebiet der fränkischen Facies stellenweis beobachtete, das Bonebed enthaltende Schicht.

Eine Gliederung in einzelne Horizonte auf Grund verschiedener Pflanzenführung hält Gümbel für unthunlich. Wo letztere Differenzen zeigt, erkennt er nur untergeordnete Facies innerhalb der gesammten „fränkischen Facies.“

Aus Allem geht hervor, dass sich die schwäbischen und fränki- schen Rhätschichten nicht wohl auf eine gemeinsame Gliederung be- ziehen lassen, und dass ebenso keine nähere stratigraphische Beziehung zum norddeutschen Rhät besteht: nur als Ganzes sind die drei re- gional verschiedenen Bildungen einander zu parallelisiren. Damit ist aber die Pflückersche Auffassung, dass das Pflanzenrhät überall die untere, das Bivalvenrhät die obere Abtheilung des gesammten Rhät repräsentiere, nicht in Einklang. Höchstens hat sie für Nord- deutschland einige Geltung. Aber auch hier dürfen diese Abtheilungen nur trotz ihrer Uebereinanderlagerung eben auf Grund der Ver- gleichung mit den süddeutschen Verhältnissen, als Bildungen während eines Zeitraums von der Dauer einer einzigen geognostischen Zone, in dem von den österreichischen Paläontologen, insbesondere Mojsisovics und Neumayr vertretenen Sinne, aufgefasst werden; wir haben noch keinen Grund, die Eine Zone der Avicula contorta in Deutschland in mehrere zu zerlegen,

Was ich demnach oben zunächst bloss für die drei Abtheilungen des Bivalvenrhätes bewiesen hatte, dass dieselben zunächst nur als nebeneinander vorkommende, gleichzeitig entwickelte Facies zu be-

trachten sind, die lokal manchmal auch übereinander zur Ausbildung gelangten, das ist durch Berücksichtigung der süddeutschen Ver- hältnisse nun auch auf das Pflanzenrhät erweitert worden.

Damit ist aber nicht gesagt, dass man nicht innerhalb be- schränkter Gebiete Schichtenreihen, welche in denselben an den ver- schiedenen Aufschlusspunkten regelmässig in derselben Aufeinander- folge wieder auftreten, wenn sie auch einer einzigen Zone ange- hören, chronologisch weiter gliedern dürfte. Im Gegentheil möchte ich auch hier wieder auf den stratigraphischen Werth der Bonebeds aufmerksam machen, den ich oben vertreten habe, muss aber dabei nochmals betonen, dass dieser Werth nur ein regionaler sein kann.

Darstellung des stratigraphischen und paläontologischen Verhaltens des alpinen Rhät.

Mit Ausnahme der Pflanzen- und Wirbelthierreste besteht, wie wir gesehen haben, der ganze organische Inhalt des gesammten deut- schen Rhät fast nur aus meist kleinen, unscheinbaren Bivalven von geringem Artenreichthvm, aber schichtenweise meist sehr grosser In- dividuenzahl, und aus ganz untergeordneten, spärlichen, ebenfalls nur unscheinbaren Schnecken und Lingulaarten; eine ganz seltene Er- scheinung waren die Käfer und Ophiuren von Hildesheim. Endlich sind noch die Baktryllien von Seinstedt zu erwähnen. Diese Formenarmuth hatte im Verein mit häufig vollkommenem Versteine- rungsmangel der Schichten eine Gliederung des Rhät in Deutschland äusserst erschwert, den Gegensatz verschiedener Glieder nur wenig deutlich hervortreten und dieselben nicht überall gleichmässig mit Sicherheit und Schärfe von einander trennen lassen.

Ganz anders in den Alpen. Hier finden wir, da Sandsteine ganz mangeln, in kalkigen und mergeligen, zu günstiger Erhaltung der Versteinerungen ausgezeichnet geeigneten Gesteinen neben den kleinen unscheinbaren auch zahlreiche grössere, reicher verzierte Bi- valven und Gasteropoden, vor allem aber auch alle anderır Abtheilun- gen des Thierreiches, Brachiopoden, Korallen, Echinodermen, Schwämme, Cephalopoden u. s. w. in meist nicht unbeträchtlicher Artenzahl und Formenmannigfaltigkeit vor. Diese Thiere sind nun in verschiedener, aber regelmässiger Weise vergesellschaftet, und es sind die verschie- denen Gesellschaftungen meist ziemlich scharf von einander geschie- den, sodass die einzelnen Forscher die durch solche besondere Thier- combinationen charakterisirten Schichten entweder als nach einem Leitfossil benannte „Zonen“ (Stoppani) oder als nach classischen Fundorten bezeichnete „Schichten“ oder „Facies‘‘ (Emmrich, v. Hauer,

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Suess u. s. w.) unterschieden haben. Suess hat nun zwar fast alle die verschiedenen ‚Facies‘“‘ an Einem Orte über einander beobachtet, also in bestimmter Reihenfolge und gegen einander nach der abso- luten Zeit ihrer Bildung verschieden; aber es ist der Versuch noch nicht gemacht worden, zu prüfen, ob diese „Facies“ durch die ganze Alpenkette verbreitet sind, überall dasselbe Lagerungsverhältnis zu einander haben und somit vielleicht als chronologisch ganz bestimmte Horizonte gelten müssen, oder ob ihnen geologisch ein anderer, etwa chorologischer Werth beigelegt werden muss.

Dieser Versuch soli im Folgenden gemacht werden. Hier ist aber leider hervorzuheben, dass durch die bisherigen Beobachtungen nicht überall ausreichende Grundlagen gegeben, dass überhaupt für meinen Zweck brauchbare Beobachtungen nur sehr spärlich sind: es sind leider nicht immer die mit einander in derselben Schicht ver- gesellschafteten Formen von den in einer andern, benachbarten, ver- gesellschafteten gesondert gesammelt worden, oder konnten auch, in- folge ungünstiger Aufschlussverhältnisse, nicht gesondert gesammelt werden.

Es bleiben also trotz des bedeutenden Ausstreichens des Rhät in den Alpen nur sehr wenige, für diese grosse Ausdehnung beinahe zu wenige Profile übrig, an welchen eine Gliederung desselben im Einzelnen, und nicht bloss sein stratigraphischer Verband mit den älteren und jüngeren Formationen im Allgemeinen, zu erkennen ist.

Ich will vorerst auch hier eine Darstellung der Lagerungsver- hältnisse und der Versteinerungsführung durch Beschreibung einzelner Profile geben, und hier zunächst die Nordalpen behandeln, von West nach Ost bis in die Fortsetzung der Alpen, in die Karpathen fort- schreitend, und daran dann die Darstellung des Rhät in den Süd- alpen anknüpfen.

A. Das nordalpine Rhät. 14. Das Rhät in der Nordschweiz.

In der Nähe von Basel tritt das Rhät nach der Beschreibung Merians!) noch in einer Weise auf, welche ganz an das deutsche Rhät erinnert: über mächtigen bunten Keupermergeln finden sich schwach entwickelt graue Mergel mit einer Zahnbreccie; diese werden durch eine dünne Schicht rothen, an das Keupergestein erinnernden Mergels

!) Verh. d. naturf. Ges. in Basel 1857.

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von dunkelgrauen Mergelschiefern getrennt, welche wahrscheinlich schon dem untersten Lias entsprechen, da ihr Hangendes sogleich von Arcuatenkalk gebildet wird. Fossilien, ausser Zähnen, Schup- pen u. s. w., sind nur sehr selten, und die bisher gefundenen Bi- valven sind zur Bestimmung der Art und damit zu einer speciellen Parallelisirung mit bestimmten Schichten des deutschen Rhät un- tauglich.

15. Das Rhät in der Urschweiz.

Mit dem Eintritt in die centralen und östlicheren Theile der Nordschweiz tritt nun jene Aenderung in den Gesteinen und Ver- steinerungen des Rhät sogleich voll und ganz ein, welche ich oben als für die Alpen charakteristisch kurz geschildert habe.

Nachdem lange Zeit das Rhät von dort unbekannt geblieben war, entdeckte es erst 1379 Stutz!) im Canton Uri und fand daselbst folgende Schichtenreihe:

Brauner Jura.

Versteinerungsreicher Lias.

Contortazone.

Graue bis schwärzliche, fossilfreie Plattenkalke. Gyps.

Die Contortazone selbst liess im Einzelnen folgende Schichten erkennen:

a 15. 5’ gelber, innen hellgrauer Dolomit.

b 15. 3—5‘ zäher bläulicher Kalk mit Terebratula gregaria und Spiriferina uncinnata wahrhaft erfüllt; etwas seltener ist Rhynchonella obtusifrons.

ce 15. 10—12° schwärzliche, sandige Mergelschiefer; darin zahlreich Avicula contorta; die oberen Bänke werden geradezu von Ostrea Haidingeriana mit einzelnen Myophoria postera gebildet.

d 15. 10—15° hellgrauer Kalk, dickbankig, mit Avicula contorta, Cardita austriaca, Pecten, Cidaris etc.

e 15. 50’ graue rauhe Kalkschiefer.

Es werden noch eine Anzahl Versteinerungen leider ohne An- gabe der bestimmten Schicht ihres Vorkommens aufgeführt.

Das Rhät in den tiroler und bayrischen Alpen.

Oestlich vom Rhein, im vorarlberger, tiroler und bayrischen Ge- biet, welches Gümbel in eingehendster Weise untersucht und be-

I) Stutz, die Contortazone in d. Urschweiz. N. Jahrb. f. Min. 1879, S, 363.

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schrieben !) hat, tritt das Rhät nun gleich in mehreren, wohl durch Gebirgsfaltung entstandenen, durch Erosion von einander getrennten Zügen auf, deren Verlauf von Gümbel, noch kürzer zusammengefasst von A. v. Dittmar?) angegeben ist, auf deren Abhandlungen darum verwiesen sei.

In Bezug auf die Lagerung lehren nun die von Gümbel in grosser Menge beschriebenen und bildlich dargestellten Profile folgendes: der „Hauptdolomit des Keupers“, welchem stellenweise auch Gypse und Rauchwacken untergeordnet sind, und der nur selten „Dachstein- bivalven“ enthält, geht nach oben in die „Plattenkalke“ über. Letztere sind häufig von zahlreichen, aber schlecht erhaltenen Rissoa alpina dicht bedeckt. Darüber folgen die echten rhätischen Schichten. „Dieselben beginnen in sicherer Entwickelung östlich vom Rheinthal im Rhätikongebirge als ein vorwiegend mergeliges Schiefergebilde, welchem einzelne, nur wenige Zoll mächtige, graue Mergel-Kalke inne- liegen. Doch zeigt sich gleich hier eine Neigung zu kalkigen Bil- dungen (,„Dachsteinkalk“ Gümbels) gegen das Hangende hin. Graue, thonige Kalkbänke von einigen Fuss Mächtigkeit beschliessen den Schichtencomplex, dem unmittelbar der echte rothe Liaskalk folgt.“ Sowohl in den dem Mersgel ein- als in den ihm aufgelagerten Kalken werden „Dachsteinbivalven“ beobachtet.

Gegenüber den über- und unterlagernden Bildungen zeigt sich also kein Unterschied zwischen dem Auftreten des Rhät in Uri und in Vorarlberg; und dieselben Verhältnisse setzen sich auch weiter nach Osten fort.

Dagegen zeigen sich Verschiedenheiten in der speciellen, auf den organischen Inhalt gegründeten Gliederung der Schichten zwischen Plattenkalk und Lias.

So zeigt z. B. das Profil an der Palmwand a 16. 2—3‘ Kalkstein mit Lithodendron, dem Dachsteinkalk ent-

sprechend.

b 16. Mergel mit Waldheimia norica (Sss) und Lithodendron.

c 16. Graue weiche Mergel mit Kalkplatten und Mergelknollen voll Versteinerungen: Gervillia inflata, Rhynchonella fissicostata, Waldh. norica u. s. w.

d 16. Plattenkalk.

e 16. Hauptdolomit.

!) Gümbel, Geognostische Beschreibung von Bayern, die Alpen. 2) A. v. Dittmar, Contortazone, S. 60.

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Hier finden wir also in den Mergeln von unten bis oben vor- wiegend Brachiopoden, nicht wie in der Schweiz unten Bivalven und darüber Brachiopoden; auch zeigt sich in Bezug auf die letzteren ein specifischer Unterschied an beiden Lokalitäten, insbesondere fehlt hier an der Palmwand die Terebratula gregaria und Spiriferina un- cinnata.

An selbst nahe gelegenen Orten, wie am Wengenalpkopf!), führen die zwischen Plattenkalk und Dachsteinkalk liegenden Thone, Mergel, Kalkmergel und. Kalke nur eine Bivalvenfauna. Wiederum von anderen Orten wird eine Vermischung der Bivalven- und Brachio- podenfauna angegeben; möglicherweise ist aber diese Vermischung erst nachträglich (im Verwitterungsschutt, aus dem in der Regel die Petrefakten gesammelt werden müssen) vor sich gegangen, und waren die Bivalven ursprünglich, wenigstens z. Th., in andern Schichten ein- gebettet als die Brachiopoden. Es ist dringend zu wünschen, dass künftig beim Aufsammeln der Fossilien auf die Vergesellschaftungs- verhältnisse noch weit mehr Rücksicht genommen wird, als bis jetzt geschehen ist; die längere Zeit und sorgfältigere Arbeit, welche dann nothwendig ist, wird sich gewiss auch durch werthvollere Resultate belohnen.

Wir sahen oben, dass die Mergel durch eine Kalkbank abge- deckt werden. Diese Bank, der von Gümbel sogenannte Dachstein- kalk, wird gegen Osten rasch mächtiger und thonfreier, oder, um es anders auszudrücken, der chemische Niederschlag reineren bis sehr reinen, bituminös schwarzen bis schneeweissen, unten noch schief- rigen, gegen oben dickbankiger und massiger werdenden Kalkes ist ergiebiger als der mehr mechanische von Mergelkalken und Mergeln. -— Häufig sind Lithodendronkalke und megalodusreiche Schichten in jenen oberen Kalkbänken eingeschlossen‘. An der Elbigenalp z. B. liegen die Dachsteinkalke scharf abgesetzt unter den rothen Liaskalken mit Amm. heterophyllus, Amm. fimbriatus und raricostatus als graue dünnschichtige Kalke in einer Mächtigkeit von 100—150'; bankweise sind darin und wohlerhalten die „Dachsteinbivalven‘‘ und Lithodendron eingeschlossen. Darunter folgen Mergelbänke und Schiefer- thone mit Zwischenlagen von glasartig spröden Mergelkalken und Kalkplatten mit zahlreichen Versteinerungen: Gervillia inflata, Pecten acuteauritus, Plicatula intusstriata, Avicula contorta, Waldheimia norica, Spirigera oxycolpos. Auch hier zeigt sich wieder Vermischung

I) Gümbel, 1. ce. S. 369.

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von Bivalven und Brachiopoden, an welcher sich sogar Spirigera oxycolpos betheiligt, während andrerseits Terebratula gregaria und Spiriferina uncinnata fehlen. Es wird nicht angegeben, ob die auf- seführten Petrefakten in einer und derselben Schicht mit einander vereint vorkommen.

Am abweichendsten in der oben angedeuteten Richtung von den mergeligen Schichten zeigt sich der obere Dachsteinkalk am nördlichen Rand der bayrischen Alpen, wo der Rossstein, Leonhard- stein und Plankenstein als mächtige und massige isolirte Riffe weis- sen Kalkes aus dem leicht zerstörbaren, mergeligen, dunkeln Gestein des Liegenden um so schärfer markirt hervortreten. Hier am Ross- stein ist aber nun die Fauna dieses Kalkes vor der Fauna an den bisher genannten Orten durch grösseren Formenreichthum ausge- zeichnet, indem sie nach Gümbel!) drei verschiedene Korallen (Litho- dendron clathratum, Caryophyllea alpina und granulata), eine Cri- noidee (Pentacr. propinquus), zwei Brachiopoden (Terebrat. gregaria und Rhynchon. subrimosa) und fünf Bivalven (Pecten induplicatus, Lima praecursor, Avic. contorta und intermedia (= A. koessenensis Dittm.?) und Megalodon triqueter) einschliesst. Wenn auch die Zahl dieser Arten bei weitem nicht an diejenige heranreicht, welche man auf Korallenriffen findet, so erinnert die genannte Fauna doch immerhin an die mannigfaltige Rifffauna; daneben sprechen auch die petrographischen und morphologischen Verhältnisse dafür, dass der‘ Dachsteinkalk des Rosssteins eine Korallenriffbildung ist; doch bleiben ganz sichere Beweise einer zukünftigen genaueren Untersuchung an Ort und Stelle vorbehalten.

In ähnlicher Ausbildung zeigt sich der Dachsteinkalk auch noch vielorts weiter gegen Osten hin, z. B. am Wendelstein und im Bay- risch-Zeller-Gebirge. Die Mächtigkeit giebt Gümbel als eine sehr ungleichmässige an: „hier linsenförmig anschwellend, dort rasch sich verschmälernd erscheint er bald als hohes weisses Felsenriff, weithin sichtbar (Brünnelstein, Auerburg u. s. w. nördlich von Kufstein) bald wird er auf das bescheidene Mass einer wenig mächtigen Kalkbank zurückgedrängt‘“?) Dieser Wechsel in der Mächtigkeit ist ein Zeichen littoraler Bildungen, zu denen wir ja auch die Korallriffbildungen und die Megalodontenbänke (welche dem Dachsteinkalk eingelagert sind) zu rechnen haben. Ob die „Anschwellungen“ „linsenförmig“,

l) Gümbel, 1. e. S. 372. 2) ibid., 1. c. S. 376.

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oder nicht vielleicht richtiger ursprünglich steilwandig aufsteigend waren, wie es der Aussenseite von Riffen zukommt, bleibt noch zu unter- suchen; jedenfalls sind die zwischen den „Anschwellungen“ gelegenen, in ihrer Mächtigkeit „verschmälerten“ Partien in der Regel dünner ge- schichtet, und deuten dadurch auf ihre nicht korallogene Entstehung hin.

Derselbe Wechsel in der Mächtigkeit des oberen Dachsteinkalks setzt sich nach Gümbel auch östlich vom Inn am Nordrand der Alpen weiter fort, bis in das Gebiet des Hochfellen (südlich vom Chiemsee), d. h. auch dort treten dann und wann noch Riffe auf, und der weit an den Gebirgsrand vorgeschobene Hochfellen selbst scheint wiederum ein altes rhätisches Korallenriff auf seinem Nordgipfel zu tragen. Dieses, über sehr wenig mächtigen Mergelschichten des Rhät lagernd und von Liasschichten abgedeckt, ist durch seine aus- nehmend zahlreichen, durch Verkieselung häufig ausgezeichnet er- haltenen Petrefakten, insbesondere Korallen, Brachiopoden und Ga- steropoden berühmt geworden, welche namentlich von Schafhäutl und v. Dittmar beschrieben worden sind.

Eine regelmässige und überall gleiche Aufeinanderfolge von Megalodonten- und Korallen- (Lithodendron-) Bänken innerhalb des Dachsteinkalks ist nicht beobachtet, und es scheinen sich demnach die einzelnen Bänke immer auf kurzen Erstreckungen auszukeilen.

Was den untern, mehr mergeligen Horizont betrifft, den „oberen Muschelkeuper“ Gümbels, so ist dieser in der Regel durch eine dicke Verwitterungskruste genauen Untersuchungen der in ihm auftretenden Schichtenfolge unzugänglich, obwohl dieselben um so wünschenswerther und werthvoller sind, als eben gerade die mer- geligen Schichten einen häufigeren Faunenwechsel zu zeigen pflegen.

Am Wendelstein lernte ich aus eigner Erfahrung die Schwierig- keiten kennen, beim Aufsammeln der Petrefakten Schicht für Schicht vorzugehen. Ich kann von diesem ausserordentlich versteinerungs- reichen, durch Schafhäutls, Gümbels und Winklers Aufsammlungen und Beschreibungen classisch gewordenen Punkte, bei dessen Besuch ich leider die einschlägige Litteratur noch nicht kannte, nur angeben, dass sich dort zwei petrographisch und paläontologisch verschiedene Abtheilungen unterscheiden lassen: die eine (c 17) ist selbständig an der Thierhamer Alp in einem Wasserriss aufgeschlossen und besteht aus grauen bis schwarzen, weichen, fleischigen oder schiefrigen Tho- nen und zwischengelagerten dünnen Platten von thonigen Mergeln, selten auch einzelnen schwarzen Kalkbänken. Die Thone enthalten Bivalven, welche den als Protocardia Ewaldi und Anodonta postera

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beschriebenen Formen ähnlich und vielleicht als Pleuromyen und Myaciten von Winkler und Gümbel aufgeführt sind, ferner Cardiıum rhaeticum und ziemlich selten Pholadomya lagenalis, Avicula speciosa und Lingula sp.; die Oberflächen der thonigen Mergelplatten sind von Cardita austriaca dicht bedeckt, Cardium rhaeticum ist ebenfalls sehr häufig; etwas seltener sind Avicula contorta, Gervillia inflata und Mytilus minutus. Die schwarzen festen Kalkbänke sind geradezu erfüllt von Ostrea (Anomia) alpina, auch Lingula sp. fand ich darin. Endlich kommen noch dünne Lagen vor, welche aus nur wenig fest verkitteten Muschelschalen und Trümmern derselben bestehen (insbesondere Carditae, Leda percaudata und minuta, Gervillia inflata und praecursor, kleine Gasteropoden, auch Anomia Schafhäutli, Fisch- zähne und Fischschuppen sind sehr häufig; einzelne Muschelschalen zeigen Vioa-Gänge; Lima- und Pecten-Arten scheinen vollständig zu fehlen).

Gegen den Dachsteinkalk (a 17) des Schweinsbergs zu, also im Hangenden der eben beschriebenen Bivalvenschichten, finden sich Schichten, in welchen der Thongehalt der Mergel schwächer wird, Lagen reinen Thones ganz fehlen, dagegen kalkige Bänke zahlreicher werden. In diesen Schichten (b 17) ist nun auch die Fauna eine viel mannigfaltigere. Dieselben sind noch besser aufgeschlossen an der nahe gelegenen, den Paläontologen wohlbekannten Kothalp. Ich werde später eine Liste der zahlreichen, dort gefundenen Petrefakten geben; einstweilen mag genügen, dass dort die als Pleuromyen bezeichneten Bivalven fehlen, dagegen Pecten- und Lima-Arten ausserordentlich zahlreich auftreten, Gervillia inflata und Avicula contorta sehr viel zahlreicher als an der Thierhamer Alp vorkommen, Östrea Haidinge- riana und Plicatula intusstriata hinzutreten und z. Th. sehr häufig sind, daneben aber auch die anderen oben bezeichneten Bivalven nicht fehlen (Leda, Nucula, Schizodus, Cardita). Neben diesen Zweischalern treten nun auch Gasteropoden, zwar immer noch selten, aber gegenüber den Schichten c 17 viel häufiger auf; ganz neu aber sind die Brachiopoden Terebratula gregaria und pyriformis, Waldheimia norica, Spiriferina uncinnata, Rhyuchonella cornigera), Echinodermen (Cidaris), Schwämme, Bryozoen (Berenicea) und die zahlreichen Korallen (Lithodendron, Thamnastraea, Prionastraea, Thecosmilia, ? Cyathophyllum, Montlivaultia). Unter den negativen Merkmalen fällt auf, dass Spirigera oxycolpos, Spirifer Emmrichi und Sp. Hauer!, Rhynchonella subrimosa und fissicostata fehlen. Ferner ist zu be- merken, dass im Verwitterungsschutt zusammen mit Bruchstücken aus

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den Schichten der Brachiopoden- und Korallenfauna auch solche mit einer reinen Bivalvenfauna auftreten. Es ist mir unbekannt, welches ursprüngliche Lagerungsverhältnis geherrscht hat; möglicherweise waren dünne Bänke mit der Bivalvenfauna den Brachiopoden- und Korallen - Schichten eingelagert. In diesen Bivalvenschichten finden sich auch hier an der Kothalp zahlreiche Fischschuppen wieder, während vereinzelte Schuppen und Saurierreste auch in den Brachio- poden-Schichten vorkommen.

Im Dachsteinkalk (a 17) an der Kothalp, besonders wie mir schien an dessen Basis, sind dicke Bänke mit üppigen Lithodendron- büschen sehr häufig. Auch Megalodonten, Crinoideenglieder, Spiri- ferina uncinnata und Pecten acuteauritus sind mir daraus bekannt.

Oestlich vom Inn, im Staudacher Eipelgraben, sind Schichten aufgeschlossen, in welchen sich ebenfalls Bänke mit vorherrschenden Bivalven und solche mit „biplikaten Terebrateln‘“ (T. gregaria) und mit Spiriferina uncinnata unterscheiden lassen. Leider hat Emmrich, welcher diesen Aufschluss erwähnt!), nur wenig Gewicht auf die Reihenfolge der verschiedenen Faunen gelegt, da er nicht glaubte, dass in diese Reihenfolge eine Regel gebracht werden könnte.

An demjenigen Fundort, welcher vielleicht die grösste Artenzahl von Rhätfossilien in den Nordalpen geliefert hat, in der zwischen Reit im Winkel und Kössen gelegenen berühmten Weissloferklamm, ist bedauerlicher Weise eine genaue Beobachtung der Schichtenfolge nach Gümbel?) überhaupt nicht möglich, weil „dort einerseits hoch aufgelagerter Schutt die versteinerungsreichen Schichten isolirt oder nur mit den herabgebrochenen Fragmenten des Dachsteinkalks und rothen Lias in Verbindung treten lässt, und andererseits Tertiär- schichten sich unmittelbar anlagern“, welche den weiteren Verlauf des Rhät und weitere Aufschlüsse verdecken.

So mächtig auch jedenfalls die Schichtenfolge des Rhät an diesem Örte ist, so ist doch gar nicht weit südöstlich davon, an der Kammer- kahrplatte, jener höchst wichtige Punkt, wo man nach Gümbel genau verfolgen kann, wie der „obere Muschelkeuper‘“ sich zwischen Dach- steinkalk und Plattenkalk-Hauptdolomit auskeilt, und nun jene durch ihre ganz enorme Mächtigkeit imposanten Gebirgsmassive meist wohl- geschichteten Kalksteins aus dem vereinigten „Hauptdolomit‘“ und 1) Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Wien, 1858; cf. auch v. Dittmar, Con-

tortazone, S. 72. 2) Gümbel, 1. ce. S. 380.

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„Dachsteinkalk“ Gümbels entstehen, welche nach Osten hin eine ge- raume Strecke herrschend bleiben und der Landschaft den ganz be- sonderen, grossartigen Charakter verleihen, der sich besonders im Salzkammergut und Berchtesgadener Land ausgebildet zeigt. In der Umgegend von Reichenhall und Berchtesgaden ist es nach Gümbel oft sehr schwer, grenzt in der Regel sogar an Unmöglichkeit, die festverbundenen Massen des „Dachsteinkalks“ und ‚„Hauptdolomits nebst Plattenkalks“, oder „des obern und untern Dachsteinkalks“, wie die österreichischen Geologen sich ausdrücken, gegen einander abzugrenzen, man müsste denn dünnschichtige, rothe, breccienartige, jenen eingelagerte Kalke als das Grenzgestein auffassen; aber abge- sehen davon, dass diese Kalke nur eine selten über handmächtige Schicht bilden und nicht überall beobachtet werden können, „erman- geln sie an der bayrisch-österreichischen Grenze ausser unansehnlichen organischen Gestalten (namentlich kleineren Rissoen) zu sehr deutlich bestimmbarer Formen des oberen Muschelkeupers“, als dass man eine Aequivalenz mit diesem sonst jene beiden Kalkmassen trennenden Schichtencomplex mit Sicherheit behaupten könnte.!) Sie finden sich nach Gümbel im Reuteralpgebirge unter Megalodus- und Lithodendron- kalken, an der Spitze des grossen Watzmann (hier mit Modiola minuta) und des Hochkalter und am Steinernen Meer. Möglicher Weise sind es dafür sprechen die petrographischen Momente ganz und gar die schwach und wenig charakteristisch entwickelten westlichsten Vorkommnisse derjenigen Abtheilung der Contortaschichten, welche man als Starhembergschichten bezeichnet hat und welche in den österreichischen Alpen, besonders in der Umgegend von Wien, in typischer Entwickelung auftreten.

Fasst man das über das bayrische Rhät Gesagte zusammen, so ergibt sich folgendes: Im Westen ist eine scharfe Sonderung in einen unteren, mergelisen Horizont („oberer Muschelkeuper“ Gümbel) und einen oberen, kalkigen („Dachsteinkalk“ Gümbel) noch nicht einge- treten; dieselbe findet sich aber weiter nach Osten hin, bis an die bayrische Ostgrenze und scheint am schärfsten gerade in der nörd- lichen, an die bayrische Hochebene stossenden Voralpenzone ausge- prägt zu sein; hier ist der Dachsteinkalk häufig korallogen. In der Südostspitze Bayerns ist letzterer unter Verdrängung des mergeligen Horizontes ausschliesslich entwickelt und enthält mitunter Spuren von Starhembergschichten eingelagert.

l) Gümbel, 1. c. 8. 382.

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Der mergelige Horizont, wo er entwickelt ist, enthält entweder durch seine ganze Mächtigkeit nur Bivalven, oder, an anderen Orten, fast nur Brachiopoden, oder ein Gemisch von Bivalven und Brachio- poden, oder endlich, wieder an anderen Orten, unten Bivalven, oben ein Gemisch von Bivalven, Brachiopoden, z. Th. auch Korallen u. a. Es liegen noch nicht zahlreich genug Beobachtungen vor, um event. eine Regelmässigkeit im geographischen Auftreten dieser verschiedenen Faunen und Faunencombinationen zu constatiren.

Das Rhät in den österreichischen Alpen.

Die neueste grössere, ins Einzelne eingehende Arbeit über die rhätischen Schichten in den österreichischen Alpen östlich der Salzach hat 1871 Dionys Stur in seiner „Geologie der Steiermark“ geliefert, in welcher fast alle älteren Forschungsresultate, die unsere Schichten betreffen, Berücksichtignug oder Erwähnung, wenn auch nicht immer die gebührende Verwerthung gefunden haben.

Diese Arbeit Sturs wird der folgenden Darstellung zunächst als Grundlage dienen; es werden aber noch mehrere, z. Th. höchst wich- tige Untersuchungen anderer Forscher zur Berichtigung, Bestäti- gung, Ergänzung und Vertiefung Berücksichtigung finden müssen.

Nach Sturs übersichtlicher Darstellung ist die Gliederung der rhätischen Formation in Oesterreich je nach der Gegend, welche man näher ins Auge fasst, eine verschiedene und zwar dreifache:

in den Hochkalkalpen, ganz nahe der Centralkette, z. B. im im Dachsteingebirge selbst, findet sich nur „Dachsteinkalk mit Starhembergschichten‘“;

am nördlichen Rande der östlichen Alpen sind nur „Kössener Schichten“ entwickelt; weder über diesen finde sich der „Dach- steinkalk“ Gümbels (— wir werden sehen, dass dies nicht überall richtig ist —), noch unter ihnen der „echte, eigentliche Dachsteinkalk“; i

in einer mittlern Zone endlich werde „Dachsteinkalk“ zugleich mit „Kössener Schichten‘ beobachtet.

Ins Einzelne eingehend kann man über die erste Form der Entwickelung des Rhät wenig sagen: Der Dachsteinkalk ist durch seine ganze, ausserordentliche Mächtigkeit hindurch sehr einförmig, fast nur ein sehr reiner, thonfreier oder thonarmer Kalk, welcher in der Regel versteinerungsleer ist oder nur Megalodonten und Lithodendren, höchst selten auch noch andere Petrefakten führt. Als besonders charakteristisch gegenüber älteren (Trias-) Kalksteinen, welche im

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Uebrigen oft recht’ähnlich sind, gibt Stur an, dass der Dachsteinkalk stets wohlgeschichtet sei. Ausserdem aber schreibt er dem letzteren, wegen der riffähnlich ringsum steilwandig abgegrenzten Bergformen, in welchen derselbe auftritt, korallogene Bildung zu. Dieser Grund ist, einerseits ein in weitaus den meisten Fällen total falscher, da jene Dachsteinkalkberge ihre Form hauptsächlich der Erosion, daneben Schichtenstörungen und andern nachträglichen Momenten verdanken, ohne ursprünglich in ähnlicher Form entstanden sein zu müssen, andrerseits verträgt sich das Wohlgeschichtetsein nicht mit einer Entstehung durch Korallenthätigkeit, und es dürfte demnach wohl nur ein geringer Theil der österreichischen Dachsteinkalke in der von Stur vermutheten Weise entstanden sein.

Abwechselung bringen in die einförmige Masse einzelne rothe, mergelige, dünne Schichten, welche meist versteinerungsleer, stellen- weis aber auch sehr reich an Versteinerungen, besonders Brachiopo- den, sind: die nach ihrem classischen Fundort genannten Starhem- bergschichten. Sie erinnern sehr an die rothen Trümmerkalke des Watzmann u. s. w., welche oben Erwähnung gefunden haben, um so mehr, als die Ausbildungsweise des gesammten Rhät und sein Verband mit dem Hauptdolomit im Liegenden in Südostbayern ganz und gar den Verhältnissen des Österreichischen Rhät in den Hoch- kalkalpen entspricht und zwischen beiden Gebieten ein enger geographi- scher Zusammenhang besteht.

Ueberlagert wird der Dachsteinkalk entweder von Hierlatzkalk oder von sog. „Wandkalk“, welchen Stur auch zum Lias rechnet (vergl. jedoch S. 53) und geht nach unten häufig in einen Do- lomit über, welcher eben deswegen und weil seine Verbreitung an die des Kalkes gebunden sei, von Stur Dachsteindolomit genannt wird. Der Uebergang aus dem Kalk in den Dolomit ist nicht an einen bestimmten Horizont gebunden, sondern es läuft die Grenze schräg durch den Gesammtschichtencomplex hindurch. Deswegen sei auch der Dachsteindolomit zum Rhät zu ziehen.

Die zweite Art der Entwickelung des Rhät in Oesterreich, nörd- lich von der ebenbesprochenen liegend, soll die sein, wo „Dachstein- kalk“ zusammen mit „Kössener Schichten‘ !) auftritt. Hier stellen sich in den oberen Lagen des „Dachsteinkalks“ (Stur) zuerst wieder- holt graue Zwischenschichten von Mergelschiefer, Mergelkalk und

I) Mit diesem Namen bezeichnen die Oesterreicher dieselben Mergelschichten des Rhät, welche Gümbel „oberer Muschelkeuper‘‘ nennen würde.

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Kalk ein, welche petrographisch ganz den Gesteinen der ächten Kössener Schichten gleichen und auch deren Petrefakten führen; und dann bilden diese Schichten, in zwei „Facies“, nämlich als Mergel oder als kalkige Mergel und Mergelkalke entwickelt, noch eine mehr oder minder mächtige Decke über dem Dachsteinkalk und werden selbst wieder überlagert von dem gelben Enzesfelder und dem rothen Adnether Kalk, also von unterem und mittlerem Lias. Als Liegendes wird hier angegeben „Opponitzer Dolomit“ und darunter Lunzer Sandstein und Reiflinger Kalk. Das Lagerungsverhältnis zum Dolomit sei nicht erkennbar, das zum Lunzer Sandstein aber discordant: dies zeige die Unabhängigkeit der Verbreitung des Rhät von der der Trias an, spreche für Niveauschwankungen am Ende der Triaszeit und dadurch zu Gunsten der Trennung der beiden Formationen. Wir werden später hierauf nochmals zurückzukommen haben.

Eine Fortbildung der zweiten Reihe von Rhätvorkommnissen nach der dritten hin zeigt sich bei Gumpoldskirchen bei Wien: die Zwischenlagerungen von Kössener Schichten in dem etwa 350‘ mäch- tigen Dachsteinkalk treten schon tief unten auf, wiederholen sich dreimal und bilden dann schliesslich noch für sich allein eine 2—300' mächtige Decke über dem Dachsteinkalk.

An diese Art der Schichtenfolge schliesst sich dann die an, welche Lipold!) im Strobel-Zinkenbach beobachtet hat, dass nämlich innerhalb der Kössener Schichten wiederholt dunkle Kalkbänke mit Dachsteinbivalven und Lithodendren auftreten, Verhältnisse, welche sehr an die im Allgäu und Vorarlberg beobachteten erinnern.

Und nun ist es nur noch ein Schritt, dass die reinen Kalke ganz fehlen, d. h. an ihrer Stelle lauter mergelige (Kössener) Schichten sich entwickeln (nördlichste Zone, Gebiet der Voralpen nach Stur), sodass dann die ganze rhätische Formation in dieser Facies ausge- bildet wäre. Die Mächtigkeit derselben ist dann nur eine geringe.

Nun gibt aber Stur selbst als Hangendes auch hier an vielen Stellen die schon erwähnten „Wandkalke‘“ an: „weisse, massige, riff- förmig auftretende Kalke, die in ihrem Auftreten auffallend an jenes massige Kalkgestein erinnern, welches, isolirte Riffe bildend, am Rossstein, Leonhardstein und Plankenstein und an andern Orten der bayrischen Kalkalpen über den Kössener Schichten lagert und von Gümbel ebenfalls für Dachsteinkalk genommen wurde‘. 2) Versteine-

') Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. 1852, S. 96. 2) Stur, 1. c. 8. 3%.

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rungen sind in den Wandkalken leider sehr selten; einmal wurden zwar gehäuft, jedoch schlecht erhalten, „aber zur Bestimmung doch noch hinreichend“ gefunden: Spiriferina brevirostris Opp., Rhynchon. polyptycha Opp., Avicula inäquivalvis Stol., Lima Haueri Stol., Pecten subreticulatus Stol., P. Rollei Stol. Diese Formen, richtig bestimmt, würden allerdings die Zugehörigkeit der Wandkalke zum Lias be- weisen. Aber meine auf die auffallende petrographische Ueberein- stimmung der Wandkalke mit Gümbels „Dachsteinkalken“ bei gleicher Lagerung gegründete Vermuthung, dass beide identisch, die Wandkalke also rhätisch und die aufgezählten Versteinerungen voreingenommen für die „Liasicität“) der Wandkalke bestimmt seien, wird durch die Beobachtung von A. Bittner?) bestätigt, dass letztere stellenweis von rhätischen Schichten überlagert werden, und erst über diesen con- cordant echte Liasschichten folgen. An andern Orten finden sich nach Stur sogleich als Hangendes der Kössener Schichten liasische Enzesfelder und Hierlatz-Kalke.

Durch Bittners Beobachtung ist eine bedeutende Annäherung der österreichischen an die bayrischen Verhältnisse nachgewiesen, in- dem nun also auch in den östlichsten Alpen wenigstens stellenweis der obere Dachsteinkalk constatirt ist, welcher bisher zu fehlen oder nicht unterscheidbar zu sein schien. Der Dachsteinkalk Sturs ist dann bloss noch als ein Aequivalent von Gümbels „Plattenkalk“ (und vielleicht auch der obersten Parthien des „Hauptdolomites“) und an den Stellen der allein auftretenden Dachsteinkalke auch noch der Kössener Mergel aufzufassen.

Als Liegendes der Kössener Schichten in den Voralpen gibt Stur einen Dolomit an, der „sicher triasisch“ sei. Die wenigen darin ent- haltenen Versteinerungen sollen beweisen, dass es Opponitzer Dolomit, also das jüngste Glied der Trias ist. Ob die Auflagerung des Rhät auf demselben concordant oder discordant sei, konnte Stur nicht be- obachten. Da aber an einigen Stellen discordante Auflagerung des Rhät auf Werfener Schiefer und andere Glieder der Trias zu beob- achten ist, so schliesst Stur auch auf Discordanz gegen den Opponitzer Dolomit, weil er nämlich innerhalb der triasischen Schichtenreihe Discordanz unmöglich annehmen zu dürfen meint! Und doch muss er, wenn wirklich ursprüngliche, nicht erst nachträglich durch Verwer-

!) Dies Wort stammt von Stoppani. 2) Bittner, Hernstein in Niederösterreich. Verh. k. k. geol. Reichsanst. 1882, S. 321.

En

fungen verursachte Discordanz vorliegt, gezwungen durch die That- sachen die Discordanz innerhalb und nicht oberhalb der Trias an- nehmen; denn wenn auch er den Opponitzer Dolomit als grundver- schieden vom Dachsteindolomit ansieht, jenen für triadisch, diesen für rhätisch erklärt, so weisen doch die neueren Untersuchungen nach, dass beide untereinander und mit dem Hauptdolomit Gümbels iden- tisch sind. Auch aus Sturs eigener Darstellung der thatsächlichen Lagerungsverhältnisse konnte ich keinen anderen Grund für die Trennung der beiden Dolomite herausfinden, als eben jene theoretische Meinung, und deren Werth ist doch ein sehr zweifelhafter, da die That- sachen schon oft genug für das Gegentheil gesprochen haben. Wenn wir also mit F. v. Hauer!) einverstanden sind, wo es heisst: „Die Gesteinsgruppe, welche in früheren Publikationen oft „Dolomit des Dachsteinkalks“ oder „Dachsteindolomit‘“ genannt wurde, erhielt in verschiedenen Gegenden weitere Namen: „Opponitzer Dolomit“, wie Stur und Lipold das Gebilde in den österreichischen Voralpen be- nannten, „Seefelder Dolomit“, ... „Hauptdolomit“, „Dolomia media“ u. s. w.“‘, dann müssen wir auch beiden Dolomiten die gleiche Stellung einräumen und müssen dazu auch diejenigen „Dachsteinkalke“ und „Plattenkalke‘“ rechnen, welche sich auf Grund ihrer organischen Ein- schlüsse als zu dem Dolomit gehörig erweisen. Diese Dolomite und Kalke werden aber nun, ihrer Lagerung entsprechend, von manchen Forschern zum Rhät, von anderen noch zur Trias gerechnet, wobei als Grund für die Zuziehung zum Rhät die Wechsellagerung von Plattenkalken und echten Kössener Schichten angegeben wird, wie sie ja in der Mittelregion Sturs so klar ausgesprochen und Regel ist. Hierbei hat man aber nicht bedacht, dass auch innerhalb isopischer Sedimente paläontologisch-chronologische Grenzen sich nothwendig erweisen können, und hier innerhalb der „Dachsteinkalkfacies“ wirk- lich nothwendig sind. Denn, wie gesagt, schliesst sich ein Theil der Dachsteinkalke dem Hauptdolomit an dadurch, dass er noch Verstei- nerungen der Zone der Avicula exilis und des Turbo solitarius führt, während ein anderer Theil wegen Zwischenlagerung zwischen Kössener Schichten zum Rhät zu ziehen ist. Es darf also, wie es in der Paläontologie Neumayr schon oft betont hat, auch hier in der strati- graphischen Geologie nicht „all das vereinigt werden, was durch Ueber- gänge miteinander in Verbindung steht‘‘?2); man muss also beide Zonen,

I) F. v. Hauer, die Geologie und ihre Anwendung u. s. w. Wien 1875, S. 367. 2) Neumayr und Paul, die Congerien- und Paludinenschichten Slavoniens und deren Faunen. Abh. d. k. k. geol, Reichsanst. Wien, Bd. VII, Heft 3, 8. 98.

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auch bei isopischer Ausbildung, streng von einander scheiden. Dann muss man aber auch hier das Recht der Priorität gelten lassen und nicht etwa die beiden, zwar als Zonen getrennten Schichtenreihen zu Einer Gruppe, Rhät genannt, zusammenfassen wollen; denn Gümbel, der Schöpfer dieses Namens, hat darunter nur die Zone der Avicula con- torta verstanden. Sollte sich später einmal eine Zerlegung dieser einen Zone in mehrere als nöthig erweisen, nun, dann bestünde das Rhät zwar aus mehreren Zonen, aber jedenfalls muss die Zone der Avicula exilis (und des Ammonites planorbis) ausgeschlossen bleiben, oder aber man muss einen neuen Namen schaffen. Wir werden nachher noch einen weiteren, sachlichen Grund für die Getrennthal- tung der Zone der A. exilis von derjenigen der A, contorta kennen lernen, den Mojsisovics geltend gemacht hat.

Der „Dachsteinkalk“ Sturs ist also z. Th. der „karnischen Stufe“ von Mojsisovics, z. Th. der rhätischen Stufe zuzurechnen, die Grenze ist freilich bei der Versteinerungsarmuth nicht immer leicht, oft gar nicht sicher zu bestimmen. Wenn ich jenen Kalk im Vorhergehen- den scheinbar immer ganz zum Rhät gezogen habe, so muss dies nun in der hier näher bestimmten Weise modifieirt aufgefasst werden. Der „Dachsteinkalk“ Gümbels ist natürlich darüber ist nie Zweifel gewesen durchaus rhätisch, wenn nicht vielleicht hie und da einmal noch die untersten Schichten des Lias durch dem rhätischen Dach- steinkalk isopische Sedimente vertreten sind, oder, wie man in nicht ganz richtiger Anwendung des Wortes „Facies“ oft genug sagt: wenn die Facies des Dachsteinkalks nech durch die Zone des Ammon. pla- norbis hindurch reicht.

Kehren wir nun wieder zu der Gliederung des Rhät zurück, so ist als das wichtigste Resultat der Stur’schen Untersuchungen in Be- zug auf dieselbe der Nachweis zu betrachten, dass der „Dachstein- kalk‘“ (insoweit er also rhätisch ist) und die „Kössener Schichten“ regional verschiedene, gleichzeitige Ausbildungsformen des Rhät oder mit einem an dieser Stelle vollauf berechtigten Ausdrucke dass sie „Facies“ sind. Es können nun zwar diese Facies, obwohl an ver- schiedenen Orten gleichzeitig nebeneinander gebildet, an einem und demselben Orte auch manchmal nach einander zur Ausbildung ge- langt sein, und man muss dann auf Altersunterschiede zwischen ihnen nach absoluter Zeit schliessen, aber sie sind dennoch nur Bildungen während einer einzigen geologischen Epoche, wenn man als verschiedene Epochen nur solche betrachtet, innerhalb deren ver- schiedene Phasen aus der phylogenetischen Entwickelungsreihe des

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Thier- oder Pflanzenreiches zur Ausbildung gelangt sind. Stur selbst drückt das Resultat seiner Untersuchungen mit folgenden Worten aus!): „Man würde einen groben Fehler begehen, wenn man aus den so evidenten Verhältnissen der Mittelregion schliessen wollte, dass der Dachsteinkalk als das ältere, die Kössener Schichten als das jüngere Glied der rhätischen Formation zu betrachten sei, weil in dieser Mittelregion der Dachsteinkalk von Kössener Schichten über- lagert werde. Die Kössener Schichten der Mittelregion repräsentiren nämlich nur den jüngsten Theil der rhätischen Formation und sind als Aequivalente nur der obersten Schichten einerseits des Dachsteinkalks am Südrand, andrerseits der Kössener Schichten am Nordrand der Kalkalpen zu betrachten.“

Neben diesem für die Chorologie des Rhät höchst wichtigen Resultat hat Stur aber auch noch die Materialien zu einer weiteren Gliederung der Kössener Schichten geliefert und diese Gliederung theilweise auch schon selbst ausgeführt, freilich auf petrographischer Basis, während er die paläontologischen Charaktere als mehr neben- sächliche behandelte. Es möge hier zunächst wieder das allgemeine Resultat folgen, zu welchem Stur in Bezug auf die Gliederung der Kössener Schichten gelangt zu sein glaubt: Die Schichten der Mittelregion seien entweder ausgebildet als thonige Mergel mit härteren Knollen (,„Mergelfacies“), oder aber als „Mergelkalk- und Kalkmergel- Facies“. Erstere Facies enthalte 3 Brachiopodenarten, deren ge- sammte Individuenmenge diejenigen der 14 Bivalvenarten weit über- treffe, letztere Facies dagegen 13 Brachiopoden- neben 31 Bivalven- arten, deren gesammte Individuenmenge mit derjenigen der Brachio- poden im Gleichgewicht stehe. Wir werden aber auch ganz brachiopoden- freie Schichten aus der Mittelregion von Stur selbst erwähnt finden. Letztere Schichten sind nach der Angabe dieses Forschers in den Vor- alpen die beinahe ausschliesslichen; selten kämen auch Schichten vor, in welchen neben den vorherrschenden Acephalen noch Terebr. gre- garia allein oder mit Spirif. uncinnata vorhanden sei, beide letztere Arten jedoch viel kleiner als in den Schichten der Mittelregion. In den Voralpen sollen auch Dachsteinbivalven in den Kössener Schichtea vorkommen, in denen der Mittelregion jedoch fehlen; andere Beob- achter haben übrigens auch hier jene Bivalven nachgewiesen.

Ueber das Lagerungsverhältnis der beiden „Facies‘‘ zu einander, welche Stur in der Mittelregion unterschieden hat, macht er leider gar keine Mittheilungen. Suchen wir darum selbst nach Profilen, welche

ı) le. 8. 390.

Be

uns Aufklärung verschaffen können und uns zugleich erkennen lassen, inwieweit dieStur’sche Unterscheidung gerechtfertigt und vollständig ist.

Interessant ist hier zunächst ein Profil von der „Voralp bei Altenmarkt a. E.“, „das schönste und reichlichst gegliederte“, welches Stur in den Alpen zu untersuchen Gelegenheit fand. Es sind dort die Schichten saiger gestellt, sodass leider Hangendes und Liegendes nicht bestimmbar sind. Stur selbst sagt darüber, man könne an Einlagerung von Kössener Schichten in Dachsteinkalk, aber auch an Einklemmung jener Schichten in den Kalk infolge von Schichtenfal- tung denken. Man findet nämlich dort

a 18. sehr dünnplattigen Dachsteinkalk mit sehr kleinen Dachstein- bivalven,

b 18. Mergel mit abgerollten Bruchstücken von Plicatula intusstriata und Ostrea Haidingeri,

c 18. Lithodendronkalk,

d 18. Schiefer mit losen Korallen, besonders Asträiden, welche Reuss beschrieben hat!?),

e 18. knolligen Kalk mit Terebratula gregaria, T. pyriformis, Waldh. norica, Ostrea Haidingeri, Pecten acuteauritus, Lima prae- cursor, Plicatula intusstriata, A. contorta, Gerv. inflata, My- tilus minutus, Pentacrinus bavaricus, Cidaris Cornaliae,

f 18. Schieferthon,

g 18. Lithodendronkalk,

h 18. Schieferthon mit dünnen Kalkplatten mit Gerv. inflata (deren Hauptlager hier ist), G. praecursor, Leda alpina, Cardita aus- triaca, C. spinosa, Fischschuppen,

i 18. braunen Kalk,

k 18. Kalkplatten mit Anomia alpina, Avic. contorta, Myt. minutus, Leda alpina, Schizodus Ewaldi, Corbula alpina,

1 18. Dachsteinkalk.

Wir werden später sehen, dass die natürliche Reihenfolge der Schichten wahrscheinlich die hier aufgeführte ist und demgemäss die erste Erklärung Sturs (Einlagerung) den Vorzug verdient vor der zweiten (Einklemmung), welche sich doch auch durch eine Symmetrie der Schichtenfolge von der Mitte aus, beiderseits nach dem Dachstein- kalk hin, zu erkennen geben müsste.

Im Anschluss an dieses Profil ist von älteren Beobachtungen zunächst noch diejenige Lipolds?) über die Schichten- und Faunenfolge

1) Sitzungsber. d. k. k. Acad. d. Wiss. Wien, Bd. +, 23. Juni 1864. 2) Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Wien 1866.

5).

im Rhät bei Kirchberg in Niederösterreich beachtenswerth, wonach zu oberst soweit beobachtbar, sogleich unter liasischen Grestener Schichten

a 19. eine Bank mit Spiriferina uncinnata (,„Spirifer Münsteri var. austriacus Sss“) nebst Cidariten liegen soll; darunter '

b 19. Korallen,

c 149. Pecten acuteauritus und zahlreich Anomia,

d 19. Avicula contorta,

e 19. Gervillia inflata und Anomia alpina, endlich zu unterst

f 19. Mytilus minutus.

Diese Beobachtungen von Stur und Lipold gewinnen nun be- sonderen Werth durch Beziehung derselben auf diejenigen von Suess im Osterhorngebirge?), und es ist zu bedauern, dass Stur die Arbeit des letzteren Forschers nicht schon bei seinen eigenen Aufnahmearbeiten benutzen konnte, da er in seinem ausgedehnten Untersuchungsgebiet unter Berücksichtigung der Suess’schen Resultate gewiss noch weit zahlreichere werthvolle Beobachtungen gemacht haben würde.2)

Suess hatte es sich im Verein mit E. v. Mojsisovics zur Aufgabe gemacht, „möglichst einfach gebaute und durch grösseren Petrefakten- reichthum ausgezeichnete Theile des Gebirges zu wählen und an diesen während längeren Aufenthaltes an Ort und Stelle die Unter- abtheilung der Schichten soweit als möglich zu treiben, um nicht nur die grossen Gesammtzüge, sondern auch die Einzelnheiten des Cha- rakters dieser merkwürdigen Flözbildungen kennen zu lernen‘“°), und hatte zu dem Zwecke für das Rhät einen Aufschluss im Kendelgraben am Osterhorngebirge bei Salzburg gewählt, welcher über 1100‘ mächtig war und vom Plattenkalk Gümbels (Dachsteinkalk Sturs) bis zu den liasischen Enzesfelder und Adnether Schichten reichte. Dieser Aufschluss würde demnach zur Mittelregion Sturs gehören. Suess konnte dort 127 Schichten nach petrographischen und paläontologischen Eigen- thümlichkeiten und nach ihrer jeweiligen Mächtigkeit genau beob- achten und beschreiben und ich gebe hier sein Resultat im Anschluss an die von ihm selbst gemachten Zusammenfassungen wieder. (In-

!) Suess u. Mojsisovics, Studien üb. d. Gliederung d. Triasbildungen in d. östl. Alpen. Gliederung des Gebirgs in der Osterhorngruppe. Jahrb. d. k.k. geol. Reichsanst. 1868.

2) Sturs Geologie der Steiermark erschien zwar nach Suess’ Arbeit, 1871, ist jedoch „geschrieben 1866—1871‘.

3) ]. c. S. 168.

=, (N)

folge dessen schien es mir diesmal auch nöthig, nicht wie früher mit der obersten, sondern mit der untersten Schicht zu beginnen.)

k 20.

Schicht 1—7 (bei Suess „I“); 383° 9 mächtig; versteinerungs- leerer, dolomitischer Plattenkalk mit Zwischenschichten, welche z. Th. Turbo solitarius?), Megalodus und Korallenreste führen, und z. Th. Araucarites- und Semionotus - Reste geliefert haben. Dem Plattenkalk schreibt Suess eine pelagische Ent- stehung zu.

i 20 und h 20. Schicht 8—28 (II und IID; 83° 10 mächtig; vor-

g 20.

f 20.

e 20.

d 20.

zugsweise noch Plattenkalk. Diese Schicht, wohl auch noch der Zone des Turbo solitarius zugehörig, ist wie die vorige, noch der oberen Trias zuzuzählen, noch nicht dem Rhät. Schicht 293—81 (IV); 152° mächtig; Wechsel von dunkel- grauen bis schwarzen, oft dünngeschichteten oder knolligen Kalken mit Schiefer, Lebermergel und stärkeren Bänken des Plattenkalks; schon ganz unten findet sich Mytilus minutus und Anomia alpina, ächte Rhätformen; höher oben noch Anatina praecursor, Cardita austriaca, Täniodon in grosser Menge, Avicula contorta; in den höchsten Schichten tritt Ger- villia inflata zum ersten Male auf.

Schicht 82 (V); 57° mächtig, petrographisch der Gruppe IV gleich; enthält auch dieselben Bivalven wie IV; A. contorta und G. inflata sind besonders zahlreich; in den obersten Bänken kommt sparsam Plicatula intusstriata hinzu. Mit Ausnahme der letzteren und der Anomia alpina finden sich alle Petrefakten im ausseralpinen, sandig-thonig entwickelten Rhät wieder, die Fauna ist an beiden Orten eine Bivalven- fauna mit identischen Gattungen und Arten; es fehlen noch ganz die für das alpine Rhät charakteristischen Brachio- poden.

Schicht 33—86 (VD); 44° mächtiger, petrefaktenleerer oder nur Lithodendron enthaltender Kalk.

Schicht 87 —108 (VO); 151° mächtig; helle Lithodendronkalke, schwarze Kalke, Schiefer und Lebermergel wechseln mit ein-. ander; noch eine, die letzte Schicht des „pelagischen“ Kalkes tritt auf, Megalodus führend. Bezeichnend für diese Gruppe sind Terebratula gregaria und Plicatula intusstriata, welch’ letztere hier am häufigsten ist; dazu kommen als sehr häufig

I) Hier ist ein Fall, wo der Plattenkalk sich wirklich und deutlich als

zur Zone der A. exilis und des Turbo solitarius gehörig darstellt!

ee

Pecten acuteauritus und Cidaris? Falgeri, ferner auch noch Spirifer Münsteri Sss (= Spiriferina uncinnata Schfh. sp.) und Waldh. norica. Wir haben also eine vorwiegende Brachio- podenfauna, an welcher aber u. a. Spicigera oxycolpos, Rhynchonella fissicostata und Spirifer Emmrichi sich nicht betheiligen.

Hervorzuheben ist, dass in einer besonderen Einlagerung und ohne Vermischung mit Brachiopoden die Bivalvenfauna der Schichtengruppen IV und V (A. contorta, Cardita austriaca, Pecten acuteauritus, Gerv. inflata, Mytilus minutus, Anomia alpina) nochmals erscheint, in der Zwischenzeit also an irgend einem andern Orte gelebt haben muss. Von diesem Orte aus breitete sie sich auf kurze Zeit, solange die Verhältnisse am heutigen Osterhorn ihr wieder einmal günstiger waren, wieder bis dahin aus, um mit erneutem Ungünstigerwerden derselben dort wiederum auszusterben. Es darf dem nach wohl diese in einer wenig mächtigen Schicht den Brachio- podenbänken eingelagerte Bivalvenfauna als eine Colonie im Sinne Barrandes bezeichnet werden.

ce 20. Schicht 109und 110 (VII); 65’mächtig; Hauptlithodendronkalk.

b 20. Schicht 111 (IX); 41° mächtig; zusammenhängender Complex

schwarzer Kalke mit schiefrigen Zwischenlagen. Hier ist ein

zweites Lager von Brachiopoden; aber die Arten sind andere

als im ersten; denn hier treten Spirigera oxycolpos, Terebr.

pyriformis, Rhynchon. fissicostata und R. subrimosa massen-

haft und fast ausschliesslich auf, während Terebr. gregaria

und Spirif. uncinnata fehlen. Höher oben finden sich auch

noch Pinna, Pecten acuteauritus, und Avicula koessenensis.

a 20. Schicht 112 bis 113 (X); 60° mächtig; zu unterst die mäch-

tigste (17°) Schieferlage der ganzen Reihe, mit Choristo-

ceras Marshi (sehr zahlreich), Ammonites planorboides (nach

späterer Angabe von Mojsisovics), Avicula koessenensis, grossen

Avicula Escheri und Täniodon, also eine Art „Ammoniten-

thon“ mit sehr dürftiger Fauna. Darüber folgen Schichten

vom Charakter der Schicht 111 (IX), welche noch einmal

Brachiopoden (Waldh. norica und Rhynchonella fissicostata) enthalten.

Endlich folgen liasische Schichten, zuerst Kalke, Mergel und

Thone, petrographisch noch denen der vorausgehenden Schicht ähn-

lich, graublau, mit Versteinerungen der Zone des Ammon. planorbis,

IN De

(Lima suceincta, Ostrea arietis, Astarte psilonoti, Cuculläa psilonoti, Terebr. cf. punctata, Spirif. Walcotti, und bemerkenswerther Weise auch noch, aus dem Rhät sich herüberrettend, Avicula koessenensis); dann folgen petrographisch auch noch ähnliche Schichten mit Ammon. angulatus etc. (auch Orthoceras!), hierauf scharf abgesetzt gelbe Enzesfelder und zu oberst rothe Adneth-Kalke?),

Es sind also in diesem Aufschluss im Kendelgraben fast alle faunistischen Entwickelungsformen des alpinen Rhät vertreten. Suess hat denselben besondere Namen gegeben, sie alle als verschiedene „Facies“ bezeichnend. So bilden die von ihm unter IV und V auf- geführten Schichten seine „Schwäbische Facies“, die unter VII auf- geführten seine „Karpathische“, die Schicht IX seine „Kössener“ —, endlich X die „Salzburger Facies“, wobei er die Namen der drei erstgenannten Facies von denjenigen Orten hernahm, von denen das Rhät in faunistisch (nicht immer petrographisch) gleicher, besonders scharf ausgeprägter Entwickelung schon länger bekannt war. Die „Salzburger Facies“, sonst noch nirgends beobachtet, fand in den betr. Schichten am Osterhorn ihren Prototypus.

Ob das Wort „Facies“ trotz der Uebereinanderlagerung der einzelnen „‚Facies“ in dieser Anwendung vollkommen berechtigt ist, werden wir nachher noch sehen, einstweilen mag es unbeanstandet bleiben.

Diese rein paläontologisch, ohne irgend welche Rücksichtnahme auf die petrographischen Verhältnisse unterschiedenen Facies lassen sich nun auch in den von Stur und von Lipold beschriebenen Pro- filen, ebenso auch in den übrigen genauer untersuchten Profilen aus Oesterreich, Bayern und der Schweiz wieder beobachten; bevor ich je- doch eine Vergleichung der verschiedenen Faunen aus den verschiede- nen Aufschlüssen eingehender durchführe, will ich erst die das Material dazu liefernde Darstellung der Faunen- und Schichtenfolge in den Nord- alpen beenden, und die in den Karpathen und den Südalpen anschliessen.

So beobachtete Toula?) bei Göstritz in der Nähe des Semme- ring eine fossilreiche Schicht in sonst petrefaktenleeren Kalken, welche enthielt: Anomia alpina, P. acuteauritus, A. contorta, Leda percau- data, L. cf. Borsoni, M. minutus, Myophoria Emmrichi Wklr., Car- dita multiradiata, Anatina praecursor, Cypricardia Marcignyana.

!) Es ist dies einer der wenigen Aufschlüsse in den Alpen, in denen die beiden untersten Liaszonen deutlich entwickelt sind! 2) Verh. d. k. k. geol. Reichsanst. 1877, 8. 240.

ne

Durch Zugmayers!) sehr eingehende und werthvolle Unter- suchungen wurden ferner einerseits auch die Starhembergschichten noch in den Kreis der übrigen ‚Facies“ gezogen und wurde ihnen scheinbar eine bestimmte Stelle in der Reihenfolge der „Facies“ angewiesen, andrerseits wurde zum ersten und bisher einzigen Male ein wirk- liches alpines Bonebed aus dem Rhät zur Kenntnis gebracht. Zug- mayer beobachtete nämlich in einem Bacheinschnitt in der Nähe von Peisching bei Wien folgendes Profil:

a 21. „Kössener Gestein“ mit viel Brachiopoden und Bivalven; „Kössener Facies“.

b 21. Rothe Starhembergschichten mit Rhynchonella fissicostata.

ce 21. Bank mit gedrängten Versteinerungen (Crinoiden, Echino- dermen, Korallen); vielleicht Hauptlithodendronkalk.

d 21. „Kössener Gestein“ mit Nestern von G. inflata, M. minutus, Avic. koessenensis, Plicatula intusstriata und Terebr. gregaria: Karpathische Facies.

e 21. Kalk in scharfem Facieswechsel gegen das Hangendgestein; von hier ab abwärts sei die schwäbische Facies zu rechnen.

f 21. Fischzahn- und Fischschuppenbreccie, ohne Molluskenreste.

g 21. Schichten mit A. contorta, M. minutus, G. praecursor, ohne Fischschuppen.

h 21. Graue und röthliche Kalkschichten mit Mergel-Zwischenlagen; darin Fischzähne, Fischschuppen und Koprolithen.

i 21. Normaler Dachsteinkalk mit Megalodus.

Hier haben sich also die am Osterhorn nicht vertretenen Star- hembergschichten zwischen die ‚„Kössener‘“ und die „karpathische Facies‘‘ eingeschoben, und wir haben dadurch scheinbar ein Mittel gefunden, auch den sonst in einförmigen Dachsteinkalk eingeschlosse- nen Starhembergschichten ein bestimmtes Alter zuzuschreiben, indem wir sie eben den gleichen Schichten des vorgeführten Profils paralleli- siren. Aber ausdrücklich warnt Zugmayer hiervor:?) „Sie (die Star- hembergschichten) zu einem Horizonte stempeln zu wollen, wäre schon nach dem bisherigen Standpunkte unsrer Kenntnisse ein frucht- loses Bemühen; im Gegentheil liefert schon die nächste Umgebung der hier besprochenen Lokalitäten den Beweis, dass die Starhemberg-

!) Zugmayer, Bonebedartige Vorkommnisse im Dachsteinkalk des Piesting- thales. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. 1875, S. 79. 2) 1. c. 8. 87.

er

schichten, und somit auch jene Dachsteinkalke, mit denen sie in un- mittelbarer Verbindung stehen, die übrigen rhätischen Facies ganz oder zum Theil ersetzen können.

B. Das Rhät in Ungarn.

In Ungarn tritt das Rhät in drei getrennten Gebieten auf: im Bakonyerwald und Vertesgebirge, in den kleinen Karpathen, und im Gebirge von Homonna.

Was das letztgenannte, im nordöstlichen Ungarn gelegene Vor- kommen betrifft, so orientiert über den gesammten Gebirgsbau schon das von F. v. Hauer in seiner „Geologie und ihre Anwendung“ u. s. w.) mitgetheilte Profil. Die Schichtenfolge des Rhät im Einzelnen ist da- gegen nach Paul?)

a 22. Grestener Schichten: Lias b 22. Schichten mit Plicatula intusstriata, Ostrea Haidingeri, Pecten u. Ss. w.

c 22. Megalodontenschicht,

d 22. Schicht mit Terebr. gregaria,

e 22. Petrefaktenleere Bank,

f 22. Lithodendronkalk,

g 22. Hauptlager der Ter. gregaria,

h 22. T. gregaria, Pl. intusstriata, Gasteropoden,

ı 22. Pl. intusstriata, O. Haidingeri,

k 22. Bunte Mergel und Quarzite der oberen Trias.

Ich kann hier nicht mit Hauer?) eine Mengung anderorts ge- trennter Faunen erkennen, sondern eher eine Zersonderung der Ge- sammtfauna der „karpathischen Facies“; das Vorkommen der Pl. in- tusstriata in den Bivalvenschichten spricht dafür, dass letztere nicht etwa zur schwäbischen Facies zu rechnen sind; auch ©. Haidingeri und Pecten ziehen die karpathische vor der schwäbischen Facies vor, und Megalodus- und Lithodendron-Bänke sind der ersteren Facies in den Alpen durchaus nicht fremd. An andere Facies, die vermengt sein sollten, als an die genannten beiden ist gar nicht zu denken.

Bezüglich der zuerst genannten beiden Gebiete ist es interessant

I) Wien, 1875, S. 376. 2) Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Bd. XX, S. 227. Sale. 8. 377.

en

zu sehen, wie das Rhät in denselben chorologisch die Fortsetzung des alpinen darstellt, indem sich im südlichen (Bakonyerwald und Vertesgebirge) die Entwickelung des Rhät in den Hochkalkalpen wiederholt: Facies des Dachsteinkalks über Hauptdolomit, ohne kössener Schichten, während in dem nördlichen, dem der Kleinen Karpathen?), fast nur kössener Schichten (— wohl zu unterscheiden von „kössener Facies“ —), einmal auch noch mit Dachsteinkalk im Liegenden, zur Ausbildung gekommen sind, also gerade wie in der Voralpen- und der Mittelregion in den österreichischen Alpen.

Die horizontale Verbreitung des Rhät im nordwestlichen Ungarn (Kleine Karpathen) ist nur gering, ebenso die vertikale Ausdehnung. Letztere beträgt selten über 10, nie über 20 Fuss. Es lassen sich nach Stur petrographisch zwei „Facies“ unterscheiden: 1) eine dunkel- graue oder schwarze Facies, die südliche Reihe der Vorkommnisse bildend; 2) eine lichtgraue Facies, nördlich von der ersten. Der regionale und petrographische Unterschied spricht sich paläontologisch in folgender Weise aus:

die schwarze Facies schliesst ein Ter. gregaria und Spir. uncinnata in Unzahl; P]. intusstriata und Lima gigantea (nach Sturs Bestimmung; wahrscheinlich L. praecursor) sehr vorwaltend; Ostrea Haidingeri ebenfalls noch häufig; seltener sind Rhynch. cornigera, Waldh. norica, A. contorta, Pecten valoniensis (nach Stur; = P. acuteauritus), Chemnitzia;

die lichtgraue dagegen beherbergt Gerv. inflata sehr häufig und verbreitet, Cardita austriaca, Myoph. postera, Myt. minutus; Terebr. gregaria wird ausdrück- lich als selten angegeben.

Die schwarze Facies lässt sich paläontologisch mit der grössten Leichtigkeit mit der „karpathischen Facies“ Suess’ in den Alpen identificieren, oder vielmehr, letztere hat von diesem Vorkommen in den Karpathen ihren Namen erhalten; die „lichtgraue Facies“ ist paläontologisch ebenso leicht als die „schwäbische Facies“ wiederzu- erkennen. Auch hier ist wieder der enge Anschluss an das alpine Rhät insofern auffallend, als in letzterem ebenfalls die nördliche Zone (Voralpen) nur die schwäbische Facies entwickelt zeigt und erst süd- lich davon die karpathische Facies auftritt. Beide „Facies“ sind

!) Stur, Ueb. d. köss. Schichten im nordw. Ungarn; Sitzungsber. k. k. Acad. d. Wiss. 1859, Bd. 38, S. 1006.

{9}

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in den Karpathen nicht in unmittelbarer Berührung gefunden worden, so dass man hätte bestimmen können, ob dieselben nicht etwa ver- schiedenen Niveaus angehören; doch kommt Stur selbst zu der Ver- muthung, dass die lichte Facies die ältere, die dunkle die jüngere sei; er stützt sich dabei auf die Vergleichung mit den Petrefakten- listen von Nürtingen und Esslingen, welche Myoph. postera nur unter, Pecten valoniensis (= acuteauritus) nur über dem Bonebed zeigten!).. So interessant nun auch der Nachweis wäre, dass die „schwäbische Facies“ in den Karpathen dasselbe Lagerungsverhältnis zur „karpathischen Facies“ zeigt wie in den Alpen, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass die Grundlagen dieses Nachweises bisher nicht feststehen: nach meinen früheren Resultaten darf man die beiden schwäbischen Muschellager nicht als weithin durchgehende und -giltige Horizonte ansehen, und andrerseits würde, selbst wenn man dies thun wollte, die Myoph. postera nicht ein für den Beweis geeignetes Petrefact sein, da dasselbe am kleinen Hagen bei Göttingen in Schichten vorkommt, welche man dann gerade als dem schwäbi- schen oberen Muschellager äquivalent ansehen möchte.

Nur einmal ist, wie erwähnt, in den Karpathen an der Basis des Rhät Dachsteinkalk („Hauptdolomit“ nach v. Hauer) entwickelt. In der Regel lagert dasselbe wie es scheint, concordant auf einem rothen Sandstein auf, welchen Stur in seiner ersten Publikation (1859) für permisch erklärte. Auf dieses Lagerungsverhältnis gründete er seine geistvolle Spekulation, dass zwischen der Ablagerungszeit jenes Sandsteins und der des Rhät in den Karpathen eine Festlandperiode geherrscht haben müsse, dann aber infolge bedeutender Niveauschwan- kungen (jedoch ohne die Schichten aus ihrer horizontalen Lagerung zu bringen) wieder Meeresbedeckung eingetreten sei und damit „eine neue Ordnung der Dinge“ begonnen habe; da nun also das Rhät diese neue Periode einleitete, so war hier nach Stur eine feste Basis gewonnen für die Beantwortung der Frage: „Gehört das Rhät zu Trias oder Jura?‘“, die dann für ıhn nicht anders ausfallen konnte als: „zu Jura“. Es hat aber nun einerseits schon v. Dittmar?) darauf hinge- wiesen, dass bei Anwendung des gleichen Princips auf das gleiche, karpathische Rhät sich auch die entgegengesetzte Antwort geben liesse, wenn man nur von der Thatsache ausginge, dass stellenweise das

!) Es ist hier ein kleiner Fehler Dittmars (Contortazone, S. 94) zu be- richtigen: Cardium rhaeticum ist in den Karpathen noch gar nicht beobachtet. 2) Dittmar, Contortazone, 8. 95.

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Rhät übergreifend von Neocom ohne Vermittelung des Jura bedeckt werde, also am Schluss der Rhätzeit wieder eine „neue Ordnung der Dinge‘ ihren Anfang genommen habe. Andererseits hat aber später (1871) Stur selbst nachgewiesen!), dass jener Sandstein im Liegenden nicht permisch sei, sondern zum Keuper gehöre und zwischen seiner Bildung und der des Rhät keine Unterbrechung stattgefunden habe, Dieser Beweis Sturs für die „Liasicität‘‘ des Rhät wird uns noch- mals zu beschäftigen haben.

C. Das Rhät in den Südalpen.

Gehen wir endlich zu den Südalpen über! Es findet sich dort das Rhät in einem breiten Streifen, der vom Ostufer des Luganer Sees bis an das Westufer des Gardasees reicht; jenseit, d. h. östlich, des letzteren treten nur noch Dolomite und Kalke auf, welche als Hauptdolomit und Dachsteinkalk bezeichnet werden, deren rhätisches Alter aber (in dem oben präcisirten Sinne) durchaus nicht erwiesen ist. „Kössener Schichten“ fehlen also in den östlichen Südalpen.

In den westlichen, den lombardischen, sind dagegen die Mergel- schichten des Rhät stellenweis in grosser Mächtigkeit und mit ganz ausserordentlichem Versteinerungsreichthum ausgebildet. Nachdem schon Escher v. d. Linth!) in älterer Zeit dort Untersuchungen aus- geführt hatte, hat später insbesondere Stoppani die lombardischen Contortaschichten erforscht; seine in der „Pal&ontologie lombarde, 1865“ niedergelegten Resultate werden daher die Grundlage des Fol- genden bilden. Neuere Forschungen in den Südalpen haben keine weiteren Beobachtungen über die Schichtenfolge innerhalb des Rhät zu Tage gefördert, und es werden, wenn unsere Formation in den betreffenden Arbeiten berührt wird, nur allgemeine Fragen behandelt; welche uns zunächst nicht interessiren.

Nach Stoppani ist nun die Schichtenordnung folgende: Zu un- terst, über den echt triasischen Schichten (g23) mit den petrifica- tions d’Esino lagert die dolomie moyenne (f 23), welche nach dem lombardischen Geologen selbst der „Hauptdolomit“ der schweizer, bayrischen und österreichischen Geologen ist; derselbe wird, beson- ders in den oberen Lagen, charakterisirt durch diejenigen Dachstein-

!) Stur, Geologie der Steiermark, S. 369.

2) Escher v. d. Linth, Geol. Bem. üb. Vorarlberg u. s. w. 1853.

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bivalven, welche Stoppani als Megalodon Gümbeli und M. compla- natus, und als Dicerocardium Jani und D. Curionii unterschieden hat.

Darüber lagern die schistes noirs marneux (e 23), Schichten grauen, häufig mit Kalkbänken wechsellagernden Mergels, mit zahl- reichen Versteinerungen: etwa 60 Bivalvenarten, daneben 9 Gastero- poden und 1 Brachiopode (Lingula Suessi); ausserdem sind drei Bactryllium-Arten sehr häufig, sodass Stoppani nach einer derselben die schistes noirs auch als „zone a Bactryllium striolatum“ aufführte. Diese untere Abtheilung der couches & Avicula contorta hatte Stoppani früher für Aequivalente der St. Cassianbildungen angesehen.

Sie wird überlagert von den „couches de l’Azzarola“ (d 23). Letztere werden vorzüglich aus hellen oder grauen, thonärmeren Kalksteinen gebildet, denen nur selten Thon- und Mergelschichten zwischengelagert sind. Diese obere Abtheilung ist noch versteine- rungsreicher als die untere, denn (ausser seltenen Reptil- und Fisch- resten) führt sie S0—90 Bivalvenarten, 14 Gasteropoden, 5 Brachio- poden, eine Anzahl Bryozoen und Echiniden, endlich 25 Korallen und 7 Schwämme. Hier besonders namhaft zu machen sind Plie. intus- striata, Spir. uncinnata und vor allem die sehr häufige Terebr. gre- garia. Nach letzterer hat Stoppani die Azzarolaschichten auch als Zone der T. gregaria bezeichnet.

Eingelagert in die obere Abtheilung ist ein banc madreporique, der gegen Westen hin immer höhere Horizonte einnehmen soll, bis er zuletzt die Grenze gegen die überlagernde dolomie superieure (b 23) bilde.

Letztere, charakterisirt durch die als Conchodon infraliassieus von Stoppani neubeschriebene, früher Megalodon triqueter Wulf. be- zeichnete grosse „Dachsteinbivalve“, bildet unter anderm die gewaltige Masse des Sasso degli Stampi und hat darum auch den Namen Cal- care del Sasso degli Stampi erhalten. Sie wird von demselben For- scher mit dem „oberen Dachsteinkalk“ der bayrischen und öster- reichischen Geologen identifiecirt, soll aber nach oben ohne scharf bestimmbare Grenze so in den Lias (a 23) übergehen, dass wenigstens dessen beide unterste Zonen (Zone des Amm. planorbis und Amm. angulatus) noch „in der Facies des Dachsteinkalks ausgebildet sind“. Stoppani glaubte in dieser isopischen Ausbildungsweise des obersten Rhät und untersten Lias ein Moment für die Verbindung des Rhät mit den genannten beiden Zonen des Lias zu einer selbständigen Ab- theilung des Jura, zum Infralias, erblicken zu müssen, welche dem eigentlichen Lias an Werth gleichzustellen sei.

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Eine Vergleichung mit der Schichtenfolge des benachbarten nordalpinen Rhät ist unschwer durchzuführen; mit derjenigen am Wendelstein in Bayern besteht geradezu völlige Uebereinstimmung: über Hauptdolomit (dolomie moyenne) und Plattenkalken folgen zuerst Schichten mit fast ausschliesslicher Bivalvenführung; von Brachiopoden insbesondere ist nur die eine Lingula Suessi beobachtet worden; es folgt dann an beiden Orten die viel reichere und mannigfaltigere Fauna der Schichten der Ter. gregaria, d. i. der Schichten von der Azzarola und von der Kothalp, der „karpathischen Facies“ Suess’, ausgezeichnet u. a. durch T. gregaria, Spir. uncinnata, Pl. intusstriata, und durch den Mangel von Spirigera oxycolpos und Rhynchonella fissicostata u. a. Dann folgt der banc madr£porique, dessen Lager an der Kothalp zwar nicht sicher festgestellt ist, jedoch ebenfalls an der Grenze gegen den Dachsteinkalk sich zu befinden scheint, während der Hauptlithodendronkalk im Osterhorngebirge sicher die gleiche Stelle in der Schichtenfolge, dicht über der karpathischen Facies, einnimmt. Es folgt endlich der von sicherem Lias überlagerte calcare del Sasso degli Stampi, der obere Dach- steinkalk.

Die Faunen des Rhät.

Die vorausgegangene Darstellung des alpinen und des karpa- thischen Rhät war hauptsächlich dazu bestimmt, die Lagerungsver- hältnisse zu beschreiben, die petrographischen Beziehungen zwischen den einzelnen Aufschlussgebieten festzustellen und die Grundlage zu einer weiteren, paläontologischen Vergleichung zu liefern. Wie bei der Darstellung des deutschen Rhät schien es mir jedoch auch hier angebracht, kurze Vergleichungen der letzteren Art, soweit sie sich geradezu von selbst aufdrängten, nicht auszuschliessen. Jetzt sollen dieselben aber in einem besonderen Abschnitte eingehender und voll- ständiger ausgeführt werden. Da eine der alpinen Faunen sich in Deutschland wiederfindet, so wird es nöthig, auch diese germanische Fauna nochmals zu berücksichtigen.

Bei der Aufstellung und Charakterisirung der einzelnen unter- scheidbaren Faunen schliesse ich mich, da ich zu keinerlei anderer Auffassung gelangt bin, zunächst ganz an Suess an, welcher bei Ge- legenheit seiner Durchforschung des Osterhorngebirges neben dem „Plattenkalk“ und „Hauptlithodendronkalk“ vier faunistisch verschie- dene Schichtengruppen des Rhät unterschieden hatte:

1. die schwäbische Facies,

2. die karpathische Facies,

3. die kössener Facies,

4. die salzburger Facies.

Dazu kommen jedoch noch als am Osterhorn nicht entwickelte „Facies“

5. die Starhembergfacies, 6. die Facies der Dachsteinkalke Gümbels.

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A. Die Fauna der schwäbischen Facies; Beziehungen des alpinen und des deutschen Rhät zu einander und zu Trias und Jura.

Die „schwäbische Facies“ ist nach Suess dadurch charakterisirt, dass sie eine fast reine Bivalvenfauna enthält.

Stellen wir zunächst eine Tabelle aller im Vorhergehenden er- wähnten alpinen und deutschen Bivalvenfaunen auf, um zu sehen, welche Beziehungen zwischen denselben bestehen, und ob sich weitere Gesichtspunkte daraus gewinnen lassen.

Die nord- und die süddeutschen Rhätfaunen sind in dieser Tabelle je in eine Sammelfauna zusammengefasst, und ist für die in 14 Columnen aufgeführten Faunen Lager und Fundort folgender:

1. schwäbisches und badisches Rhät; nach Oppel und Suess (Muthmassl. Aequiv.)!), Quenstedt (Jura), Deffner und Fraas (Juravers.).

2. norddeutsches Rhät; nach Pflücker y Rico (Rhät bei Göttingen), v. Fritsch (Vorstud. üb. d. mesoz.! Form.), Schlönbach (Bone- bed), Credner (Grenzgebilde), Roemer (Rhät bei Hildesheim);

3. Schicht f20 vom Österhorn, nach Suess und Mojsisovics (Gruppe des Osterhorns) ;

4. Schicht g20 ebendaher;

5. „hornsteinreiches gelbes, und gewöhnliches kössener Gestein“ aus dem Gebiet der allein auftretenden kössener Schichten, von der Einsiedelei bei Ober St. Veit, nach Stur (Geol. d. Steierm.) ;

6. Schicht h 18 von der Voralp bei Altenmarkt a. E., nach Stur

(Geol. d. Steierm.);

7. Schicht k 18 ebendaher;

8. Schicht e 19 bis f19 von Kirchberg, nach Lipold (Specialaufn. bei Kirchberg in Niederösterr.);

9, Schicht f21 bis h 21 von Peisching, nach Zugmayer (Bone- bedart. Vorkommn.);

10. Rhät bei Göstritz, nach Toula (Grauwackenzone der nördl. Alpen);

11. Schicht ce 15 bis d 15, Urschweiz, nach Stutz (Contortaz. in d. Urschweiz) ;

1) Die genauen Litteraturnachweise finden sich in der vorausgegangenen „Darstellung“.

12. Schicht ce 17 vom Wendelstein (nach meinen eignen Beobach- tungen); 13. „Lichtgraue Facies“ in den Karpathen nach Stur (köss. Schichten im nordw. Ungarn); 14. Schistes noirs ou zone & Bactryllium striolatum (e 23) in der Lombardei, nach Stoppani (Pal. lomb.).

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1) „2+“ bedeutet: das Vorkommen in dieser Facies ist unsicher, „+?“ bedeutet: die Bestimmung ist unsicher.

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Protocardia praecursor....)—+ rhaetica.... ...;. -H nn carınata.r ....

Anodonta postera......... I

Cardium cloacinum....... IE

Lucina civatensis......... |

Cyclas postera? 1... . 1... +

Cyprina, Buraes.......... |

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Corbula, alpına.. .........>-.. I—1— | | | | | + | | |

Anatina praecursor....... 41-1 1+1-|1- 1-1 | +/|

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Pholadoniya lagenalis.....— | | —|)— | +1 | - | —|— | ar lanıana.......|— | | | -— _

Cypricardia Mareignyana..|— | | | -|- | —-|- 1 —|)—-|+

Myaeites Quenstedti...... +1 —1-|1—-1—-|—|1-|—|—|—

Myacites sp.sp. (Pleuromya) | [1-1 |1—-|—-|—-!1—-|1—|—

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Sehen wir zunächst von den Wirbelthieren ab, so bestehen fast sämmtliche der hier aufgeführten Faunen beinahe ausschliesslich aus Bivalven; dagegen fehlen decapode Crustaceen, Cephalopoden, Ptero- poden!), Korallen, Spongien und Bryozoen ganz; von Echinodermen haben sich in Schichten, die sicher zu den Bivalvenschichten gehören, nur ÖOphiuren und auch sie nur an Einem Orte (Hildesheim), da jedoch zahlreich, gefunden; die Fauna von c 15 und d 15 (Schweiz) enthält zwar‘ auch Echinodermen, doch weicht sie dadurch von den übrigen Bival- venfaunen bedeutend ab, dass sie nicht deren gewöhnliche Formen (Anomia, Schizodus, Mytilus), sondern gerade die seltneren Ostrea Haidingeri, Pecten sp. sp. führt; sie dürfte deswegen als Uebergang zu der Fauna der folgenden „Facies‘“ anzusehen sein.

Von Brachiopoden sind nur Arten von Lingula allgemeiner beob- achtet, einer Gattung, die ja auch jetzt noch häufig von ihren Ver-

1) Die Pteropodennatur der Baktryllien ist doch noch nicht als sicher be- wiesen zu betrachten; dass es Diatomeen sind, ist aber noch weniger wahr- scheinlich.

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wandten getrennt oder höchstens von Discina-Arten begleitet im Schlamm und Sand der Küste vergraben zwischen Muscheln und kleinen Schnecken lebt. Die ausserdem noch (aus der lichtgrauen Facies in den Karpathen) angeführte Terebratula gregaria bezeichnet Stur selbst als selten. Auch in den österreichischen Voralpen, deren Rhätfauna durchaus hierher zu rechnen ist, tritt T. gregaria nur an vereinzelten Orten und nur in kleinen Exemplaren auf; dasselbe ist mit Spiriferina uncinnata der Fall.

Aus der Abtheilung der Gasteropoden fehlen alle grossen, reich- verzierten Formen ganz, es bleiben kleine, z. Th. winzige, unschein- bare übrig, und auch diese sind wenig zahlreich und nicht allgemein verbreitet.

Bivalven allein sind es also, die den Charakter der Fauna be- stimmen; aber auch von ihnen sind es wiederum meistentheils nur wenige und kleine, einfache Formen eine grosse Menge „unsicherer Bivalven‘“ (Quenstedt) einschliessend welche eine grössere Bedeutung durch z. Th. ganz enorme Individuenzahl, weite Verbreitung und beinahe regelmässiges Vorkommen besitzen; es sind Anomia alpina, Avicula contorta, Gervillia inflata, G. praecursor, Mytilus minutus, Schizodus Ewaldi und andere Schizodus- (Taeniodon-, Protocardia-) Arten, Anodonta postera, Leda percaudata, Cardita austriaca, Proto- cardia rhaetica, Myophoria inflata (= postera). Unter diesen Bivalven sind auch jene wichtigen Formen, auf welche Oppel und Suess ihre Muthmassung der Aequivalenz der kössener Schichten mit dem schwäbischen Bonebedsandstein gegründet haben.

Es zeigt nun diese rhätische Bivalvenfauna in ihrem ganzen Habitus die grösste Uebereinstimmung mit der des deutschen Zech- steins (nach Ausschluss der unteren, brachiopodenführenden Kalke und ‚des Zechsteinriffs) und ebenso mit der des deutschen unteren Muschel- kalks. Th. Fuchs, welcher zuerst diese Aehnlichkeit im Zusammen- hang erörterte?), führt als weiteres Analogon die Fauna der sarmati- schen Stufe des Wiener Tertiär an und vergleicht alle diese Faunen mit der noch heute lebenden des schwarzen Meeres, wie es z. Th. Ramsay und Forbes schon vorher gethan hatten. In der That lassen sich Analogien zwischen diesen Faunen bis weit in scheinbar unbedeutende Einzelheiten hinein verfolgen. Fuchs schliesst nun, dass die genannten, jetzt fossilen Faunen unter ähnlichen Verhältnissen gelebt haben, wie

}) Th. Fuchs, Ueber d. Natur d. sarmat. Stufe u. s. w. Sitzber. d. math.- phys. Kl. d. k. k. Acad. d. Wiss. Wien 1877, Bd. LXXV, S, 321.

ee

die heutige Fauna des schwarzen Meeres, ‚und sieht in der erwähnten Arbeit als wichtigsten Faktor, welchem die letztgenannte Fauna ihre Eigenthümlichkeit verdanke, den Sauerstoffmangel des Wassers an, welcher eine nothwendige Folge der Abgeschlossenheit jenes Meeres, d.h. der Unmöglichkeit des Zutritts unterer, kalter, Luft zuführender Meeresströmungen sei: dieser Luftmangel bewirke die Formenarmut der Fauna, und als Ausgleich trete der grosse Individuenreichthum derjenigen wenigen Arten ein, welche sich nun einmal den ungünstigen Bedingungen angepasst haben. Für die „pseudosarmatischen“ Faunen des Zechsteins, Muschelkalks und Rhät (wie Fuchs dieselben genannt hat) ist diese Erklärung jedenfalls unzureichend, denn es lässt sich nachweisen, dass jene drei Formationen!) Strand- und Seicht- wasserbildungen sind; an den Orten ihrer Entstehung konnte das Wasser also direkt aus der Atmosphäre Sauerstoff aufnehmen, und die in ihm lebende Fauna das Meer mochte sogar vollkommen gegen den grossen Ocean abgeschlossen sein eine etwa vorhandene Re- duktion und Verarmung nicht einem Sauerstoffmangel verdanken.

Es ist nun der Versuch gemacht worden, unter Hinweis auf die Thatsache, dass Seichtwasser- und Strandregionen eines Meeres in der Regel gerade durch Formenmannigfaltiskeit der Fauna und Grösse und Dickschaligkeit der Individuen sich auszeichnen, die littorale Entstehung der pseudosarmatischen Bildungen in Zweifel zu ziehen. Die Beweise für die Littoralnatur derselben, insbesondere des Rhät, sind aber so über allen Zweifel erhaben, dass jener Ver- such als verfehlt zu bezeichnen ist.

Wir werden durch denselben aber darauf hingewiesen, für die Abweichung der genannten „pseudosarmatischen‘ von anderen Strand- Faunen noch die besonderen Ursachen zu erforschen. Da hat denn Fuchs selbst für das Schwarze Meer die weitgehende Aussüssung des Wassers durch grosse Ströme zu Hilfe genommen, eine Thatsache also, welche ebenso wie die vorhin vorausgesetzte Sauerstoffarmut durch die Abgeschlossenheit des betr. Meeres ermöglicht wird. Für die Fauna des Rhät hat schon Ramsay!) diesen Erklärungs-Versuch gemacht, wobei auch er sich auf die Analogie mit der Fauna des

!) Für das norddeutsche Rhät habe ich diesen Nachweis schon oben er- bracht; auf das süddeutsche liesse er sich leicht erweitern; dass aber auch die schwäbische Facies des alpinen Rhät eine solche Littoralbildung ist, beweist u. a. die Häufigkeit von Lumachellen, Muschelbreccien, die fast nur aus zerschellten Schalen bestehen!

2) Ramsay, On the physical relations of the new red marl, the rhaetic beds and the lower lias. Quart. Journ. geol. soc. London 1871, S. 179.

nee

Schwarzen Meeres stützte. In der That ist dem Salzgehalt des Meeres ein eigenthümlicher Einfluss auf die Organisation der in ihm lebenden Thiere nicht abzusprechen, zumal da in der Neuzeit ekla- tante Beispiele hierfür immer zahlreicher werden, Inwieweit jedoch für unsern Fall die hier wiederholte Erklärung Ramsays und Fuchs’ aus- reicht, darüber bleibt späteren Forschungen der Nachweis vorbehalten.

Jedenfalls aber ist soviel sicher, dass das deutsche Rhät und die schwäbische Facies des alpinen nicht unter den gewöhnlichen Verhältnissen eines normalen Meeres abgesetzt sind, sondern dass man ein Meer (oder einen See) von besonderer, ungewöhnlicher Be- schaffenheit annehmen muss.

Da mit der schwäbischen Facies allein das Vorkommen zahl- reicher, z. Th. in Bonebeds angehäufter Wirbelthierreste verknüpft ist, so mag hier die Vermuthung ausgesprochen sein, dass diese ab- norme Beschaffenheit des Wassers möglicher Weise die Voraussetzung der Bonebedbildung gewesen ist, welche dann durch die oben erwähnten Katastrophent) wirklich herbeigeführt wurde.

Das deutsche Rhät erinnert nun in petrographischer und paläon- tologischer Hinsicht vielfach an den in seiner Bildung kurz voran- gegangenen Keuper: das Auftreten von Letten und Sandsteinen bei gänzlichem Ausschluss von reinen Kalken und die Ausbildung der Fauna als Bivalvenfauna, das Fehlen von Ammoniten und die Häufig- keit von Pflanzenlagern schienen so grosse Analogien zum Keuper und Abweichungen vom Lias zu enthalten, dass die deutschen Geo- logen und Paläontologen, ihr eignes Land allein berücksichtigend, nie im Zweifel waren, das Rhät dem Keuper und der Trias überhaupt anzuschliessen. „Auf der einen Seite hat sich die Ansicht schon bei- nahe unerschütterlich festgestellt, dass die organischen Reste, welche die Zone der Avicula contorta in sich schliesst, nach ihren bezeich- nendsten und massgebendsten Gattungen und Species entschieden den Charakter einer triasischen Fauna an sich tragen. Sind doch A. con- torta, Gerv. praecursor, Neoschizodus (Myophoria) posterus, Schizodus cloacinus (= $S. Ewaldi), Cardium cloacinum Formen, wie man ähn- liche nur aus der Trias kennt; auf der andern Seite beginnen in den untersten liasischen Zonen zahlreiche, noch unbekannte Arten, welche in den Schichten der Trias und der Avicula contorta noch nicht gefunden wurden. Wenn wir somit die Grenzlinie zwischen Trias und Jura über den Schichten der Avicula contorta und unter

1) 8. oben $. 29.

an N

der Zone der Amm. planorbis hindurchziehen, so dürfen wir diese Art der Abtrennung als eine durch paläontologische Thatsachen so vollständig begründete ansehn, wie dies bei den übrigen Formationen wohl selten in gleich sicherer Weise auszuführen möglich sein wird.“ So sagte 1859 Oppel!), der hier als berufene Autorität anzusehen ist; dabei vergass er allerdings nicht, auf die Identität oder mindestens Aehnlichkeit der „Facies“ des Rhät und des Keuper, und auf die Verschiedenheit der Facies des Rhät und des Lias hinzuweisen und derselben Rechnung zu tragen. (Es schwebten ihm dabei die schwä- bischen Verhältnisse vor; in Norddeutschland findet eher das Gegen- theil statt: schärferer Gegensatz des Rhät gegen die oberste Trias, enger petrographischer und paläontologischer Anschluss an den Lias?). Wir sind hier auf die Frage nach der Stellung und dem Rang der rhätischen Schichten in der Tabelle der geologischen Formationen gekommen. In Bezug auf diese Frage hat aber einen viel wichtigeren Gesichtspunkt Mojsisovics?) geltend gemacht, als er die chorologische Deutung lieferte zu der schon lange bekannten Thatsache, dass nach langer Differenz der Faunen in den alpinen und den germanischen Triasschichten, im alpinen und germanischen Rhät zum ersten Male wieder paläontologische Uebereinstimmung herrschte, die Deutung nämlich, dass während der Triaszeit in Germanien ein von dem übrigen Ocean getreuntes, vielleicht ringsum abgeschlossenes Becken existirte, welches zu Beginn der rhätischen Epoche zuerst wieder mit jenem Ocean in Verbindung trat und damit eine neue Fauna aus demselben beziehen konnte. In der That begann mit dem Hereinbruch des Mediterranmeeres in das germanische Triasbecken in letzterem jene „neue Ordnung der Dinge“, welche zuerst Stur, aber freilich auf Grund falsch beobachteter Thatsachen, hervorgehoben hat). Während der Rhätzeit schritt nun zwar die Umwandlung der äussern Verhältnisse noch nicht soweit in dem germanischen Meeres- theile fort, dass eine Differenz der petrographischen Facies des Rhät gegenüber der der obern Trias eintreten konnte; es konnten somit einerseits auch noch Bestandtheile der alten Fauna bleiben und anderseits von der neuen nur derjenige Theil einwandern, welcher den noch von früher theilweise fortbestehenden physikalischen Verhält-

!) Oppel, Die neueren Untersuch. üb. d. Zone d. A. contorta. N. Jahrb. f. Min. 1859, S. 452.

2) Vergl. oben S. 9.

3) Mojsisovics, Die Dolomitriffe von Südtirol und Venetien. 1879, 8.7 %) Vergl. oben S. 66.

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nissen sich anbequemen konnte, also mit der eingesessenen Fauna im Habitus übereinstimmen musste; und es traten erst mit Beginn der Liaszeit, in Süddeutschland schnell, in Norddeutschland langsamer, andere physikalische Verhältnisse und mit ihnen andere petrogra- phische Ausbildungsformen der Sedimente und eine weitergehende Um- wandlung und Ausgleichung der Faunen ein.

Aber es bleibt bei alledem die Thatsache bestehen, dass der Beginn dieser „neuen Ordnung“ in der rhätischen Epoche erfolgte, und dem Rhät somit in Deutschland und den Alpen vom Standpunkte der chorologischen Deutung eine nähere Beziehung zum Lias als zur Trias beigelegt werden muss, wenn auch vom einseitig paläontolo- gischen Standpunkte aus, den in diesem Falle seinerzeit Oppel vertrat, der Uebereinstimmung der Facies halber die Annäherung an die Trias grösser erscheint.

Das eben Vorausgegangene in etwas allgemeineres Gewand ge- kleidet stellt sich folgendermassen dar: befolgt man den von Mojsisovics aufgestellten Grundsatz der modernen „historischen Geologie‘, dass heterotopische Sedimente getrennte Chronologien, isotopische natür- lich nur einerlei Chronologie erhalten müssen, so muss die germa- nische und die alpine Trias, in verschiedenen Provinzen abgelagert, jede ihre besondere Gliederung erhalten, die nach der Verschmelzung der beiden Provinzen zu einer einzigen entstandenen, isotopischen Sedimente aber eine gemeinsame Gliederung; die Verschmelzung und damit die gemeinsame Gliederung beginnt in der rhätischen Epoche.

Von diesen Anschauungen geleitet darf man nun auch nicht, wie es Stur und F. v. Hauer wollten, die unteren, karnischen Dach- steinkalke und Dachsteindolomite (Hauptdolomit und Plattenkalk) mit dem rhätischen Dachsteinkalk vereinigen, wenn man nicht auf den Vortheil verzichten will, „dass es die Verständigung erleichtert, wenn die alpinen und ausseralpinen Ablagerungen in Fällen, wo eine wirk- liche Uebereinstimmung stattfindet, auch gleichmässig gruppirt und benannt werden‘).

In Deutschland ist, wie wir sahen, die Rhätformation allein in der ebenbeschriebenen Bivalvenfacies ausgebildet. Anders in den Alpen. Hier finden wir ausser dieser noch eine ganze Anzahl anderer paläontologisch unterschiedener Facies vor.

) E. v. Mojsisovics, Dolomitriffe von Südtirol und Venetien. 1879, 8. 73.

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B. Fauna der karpathischen Facies (Suess).

Da haben wir zuerst eine Fauna, welche zunächst durch die Häufiskeit von Plicatula intusstriata und Terebratula gregaria Suess (T. Schafhäutli Stopp.) kenntlich ist. Stellen wir, um noch weitere Charaktere dieser Fauna aufzufinden, auch hier in Form einer Tabelle die im Vorausgehenden aufgeführten, hierher gehörigen Faunen zusammen!

Es entstammt in dieser Tabelle die Fauna der Columne

1. der „dunkelgrauen oder schwarzen Facies“ in den Karpathen,

nach Stur (d. köss. Sch. im nordw. Ungarn),

der Schicht e 15 an der Voralp, nach Stur (Geol. d. Steierm.),

3. der Schicht d 20!) am Österhorn, nach Suess und Mojsisovies (Glied. d. Trias),

4. der Schicht d21 von Peisching, nach Zugmayer (Bonebedart. Vorkommn.),

5. der Schicht b 15 aus der Urschweiz, nach Stutz (Contortaz. in d. Urschweiz),

S

6. der Schicht b 17 am Wendelstein, nach eignen Beobachtungen und Angaben in Dittmar (Contortaz.), 7. der Schicht d 23 (couches de l’Azzarola) aus der Lombardei,

nach Stoppani (Paleont. lomb.).

na | sa | Bee

Fisch- und -Saurierreste........ I le _ S s Chorstoceras SP... ..... 2.00. _ —_ 2-22) | RISSoasalpına 2... nee sa _ m ne) Sigaretus eiNCtus............. | Zr) = Chemnitzia Quenstedti........ + 219218) Ze Turritella alpis sordidae....... _ o |

e- Stoppanii........ | = a -_ Let Tuxrboralpimus.. 2... „een. e= ee, Nrochusssprssp.. on 2.20. —_ = ES IE Bleurotomarıa turbo.......... ven > 9 == Nieinen te) —_ —— m == Ditremaria praecursor......... = St 1 == Aetaeonella eincta............ Bun ur a) Ken Nezibopsis: 2 Sp. ’sp- .. u... _ -— = =. _ u Gerisktum: Sp... 24222 2+ eo; | u —. ar Terebratula gregaria.......... hh u hh En hh -- E=

3 PycHhormis 2.22... + == 2

l) Die colonieartig eingelagerte Bivalvenfauna ist ausgeschlossen. 2) „24“ bedeutet: Das Vorkommen in dieser Facies ist unsicher. „2° bedeutet: Die Bestimmung ist zweifelhaft. {o} 3) Nach Angaben in Dittmar, Contortazone.

1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 Terebratula horia..-.......... gl zu | L > Waldheimia norica ............ + + + is an 1er ur grossulussr.. .l:- = = —- +h | +? Spiriferinajuncinnatal........ hh + -— hh 2 Rhynchonella cornigera....... | + _ u ae = Ki 5; obtusifrons...... a ze are -— == Serpula constrictor........... _ == 2. Ostrea Haidingert ............ hh E= —_ 91 = ILLCONIEA AR RE: = Z_ = » koessenensis.. .oneo.er —_ _ _ Enz hınnıbes engere are _ _. Pecten acuteauritus........... | + -- hh 2+ h _ Schathantliyarzereeene _ —_ 4 = RR 3 Su) RE I E— _ +1) N er -— —_ sn Balgeri Has seen +? - uaWVanklerir esse. = u _ +) —- Limaspunctatan =... ser Igigan- E— == OUBTAECUTSON.N. ot. |Stea?hhi 4 _ ?—- h n= TROST SED re tie -— Plicatula intusstriata.......... hh En hh 4 24 hh —- er Archiacı..g....: AB _ _ _ ?+ | 9+ _ er SESp. spend En Aysculascontorta........r.... nn E= 2 24 hh 5 koessenensis......... | _ + | | S GE ZA VERS NA EL | —_ En Cassianella speciosa.......... | |subspeciosa| 2 —_ s + Gernlkanınlataeree seen In - —_ E hh # Praeeursore.n. .nerene I + -- Einnaysp.r. Perl | +) | + Mytilusfminutuss.. ee I - = -- + + + N Re —— = _- Lithophagus faba............ | _ En —_ h Modiola Schafhäutli.......... | + | - Areaabavancake a u = + ELDER DEISD ARE tn ı— _ _ _ En Nucula Hausmanni........... | —- - S + Leda percaudata.... .......... | E= _ _ 2? - ERIbAVaTICaNEEN er Are a. | = ee) lclayellatan. 22.leee geh. Mn = | 24 1 +? Myophoria 'inllatar. 1.2... 2... | 2 u = ?+ s E- > Hmmrnchier er. 2: | +? E= 3 lasıcae here 1 _ _ _ -- TngoniarAzzarolae ner. —_ + Schizodus Ewaldi............. _ E= + + Isoscelasn „ee | n u _ 3 Praecursore N... I e _ ?+? | +? Gardiıum rhaetieum. ru... + + + N cloacnuma ss | | -- Corbis aequilateralis.......... _ -- +? Oypeinalens.: I... ee = | | | _ |?

!) Nach Angaben in Dittmar, Contortazone.

| 2 3 5 6 7 ISoeardra 27 8p. er. en sa | = a —e (ars ET er | _ == nr - - Mesalodon.. ou. reen.susen.n. | et gl 2 Cardita multiradiata.......... | ee er 2 AL re INUNIER en eucherslenes erekern. « en FL == 55 AUSCHIACa el nee. em Een, Ge an 7 SPINOBaRSER ES. ante. per ne _ 2 TE NTh e = I Dan AB BAR ASSDEcHee 2 en eteeneieke nr == Nennsibipheaba.. .-..... 220... 1 a Corbula-alpina .. . .5..2 0.0.0 = pe = Anatmasrhaeticar..cecolnee.n. | = en > gr) 219 Pholadomya lagenalis......... + gar) =L Be larıanarersa dan e= = zz = > margaritata....... | —— ar U Bidarıs Waleerl...n....n...200 | hh? = 3 ss Gornalaensee | + ae —_ ie an 5 Ombona seen: er on ss am 5 DEREN | =. es = & verbiellatar 2-22. 2... | en 2 h = 5; CaUdeR year S = BE PIOTE SDEe... 22030. | == Hypodiadema sp. ............. | —_ = - =. Pentacrinus bavaricus......... + Be 2-4 ı = 5 versistellatus...... u —- > ? Trochocyathus Cermell...... = = = Pyxidophyllum Edwardsii...... —_ un = +? Ar, PepiennussBassie.... nasse _ = + BaNlieranaeia span. e.enseneee 29 > un == Rhabdophyllia elathrata...... 2 gr = h . » de Philipr 777 EI zn » 3 lılata ...... Ei 7 er u Thamnastraea Meriani........ = Zr: hh - » contusar. ... | AIR u u al Ir pl spee,....... er FE Su hh ar . » aea Schafhäutli...... er re ter: BEIOHaSESD een. a & u a 7 Isastravaultia Gastaldi........ SU er N ee ve Mont! R Gimnae. . ....... = = | 3r osmilia plur. spec. ....... Zu = Ar ae 3 ar RR r BEE En en iR +? ii Stylihophyllum pl. sp. ........ FIe Em erde Cyatileum one 54 N Er = 253 = SF Achinicen sp... nee. u u =: I) Fr Berebiopora sp... „cr. . 2a. “1 FE IE an TE Diaranceia sp..........220.... A = = 1 Defnemidium et al. s j u vr = SR ANotunmiaar... 0... Ara F er I Fi m =7 Le .. 3 = EB

!) Nach Gümbel, Geogn. Beschr. v. Bayern. 2) Nach Angaben in Dittmar, Contortazone,

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Re ae

Zuerst habe ich noch, zur richtigen Benutzung dieser Tabelle, folgende zwei Bemerkungen zu machen: in Spalte 5 (Schweiz) haben die meisten Arten das Zeichen „?+“ erhalten, weil Stutz ihr Lager nicht genau angegeben hat, und ich nur vermuthe, dass sie zusammen mıt Ter. gregaria und Spirif. uncinnata vorgekommen sind; und bezüglich Spalte 6: bei meinen Besuchen der Kothalp am Wendelstein habe ich leider die Formen der einzelnen kleinen Fundstätten nicht genug auseinander gehalten, und es mögen daher in der Tabelle mehr Arten der zugleich mit vorkommenden schwäbischen Facies mit auf- genommen sein, als wirklich noch zusammen mit T. gregaria und P. intusstriata vorkommen; im Allgemeinen hat nun zwar die Gesteins- beschaffenheit der in meiner Sammlung befindlichen Stücke den Aus- schlag für oder gegen die Aufnahme in die Liste gegeben, und dieses Moment darf gerade an der Kothalp als genügend angesehen werden; aber gleichwohl würde ich die Liste hier ganz weggelassen haben, wenn nicht diejenige der Versteinerungen von der Azzarola mit ihr so sehr übereinstimmte, deren Homogeneität Stoppani auf das Be- stimmteste behauptet.

Die sieben Faunen der Tabelle sind nun, wie gesagt, zunächst deswegen zusammengestellt, weil sie sich gleichmässig durch das „bäufige Vorkommen von Ter. gregaria und Plic. intusstriata aus- zeichnen. Mäüuerabanv*anetr uunn, dass sie auch durch das beinahe allen gemeinsame Auftreten von Waldh! nurssica und Spiriferina unein- nata zusammengehalten werden, von welchen beiiden letztere häufig sogar massenhaft sich vorfindet. | Der grosse Individuenreichthum an Brachiopoden ist, es über- haupt, welcher diese Fauna von der vorhin behandelten Bivalvı-anfauna scheidet, zu welcher sie durch die ausserdem noch meist in nicht geringer Individuenzahl auftretenden Bivalven nahe Verwandtsı „haft zeigt, und zu welcher auch an einzelnen Orten Uebergangsfau-nen sich aufgefunden haben. Schon die in der Tabelle miterwährfhiten Faunen von der Voralp und von Peisching sind als solche Uebergargs- faunen zu bezeichnen; ebenso ist es folgende Fauna einer petrogira- phisch zwischen kössener und starhemberger Schichten a, jedoch letzteren mehr ähnlichen Schicht aus dem „Dachsteinkalk“ "m Helenenthal bei Baden (also Mittelregion Sturs): Ter. sregaria, Wald! n, norica, Mytilus minutus, A. contorta, P. acuteauritus, Ostrea Ha: ;- dingeri (nach Stur, Geol. d. Steiermark); endlich glaubte ich auch schon, bei Besprechung der schwäbischen Facies, die in der dortigen Tabelle aus der Schweiz aufgeführte Fauna als ein Uebergangsglied zu

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der karpathischen bezeichnen zu dürfen; ich sagte schon dort, dass Ostrea Haidingeri und Pecten sp. vorzüglich in der karpathischen Fauna häufig seien.

Man kann aber nun, wie die Tabelle zeigt, innerhalb der Fauna der karpathischen Facies einen Unterschied machen zwischen einer formenarmen und einer formenreichen Abtheilung.

Erstere ist nach den bisherigen Beobachtungen die verbreitetere und enthält ausser den wenigen, aber in der Regel massenhaft auf- tretenden Brachiopoden- und ebensowenigen Bivalven-Arten kaum noch irgend welche andere Bestandtheile.

In der andern Abtheilung dagegen, der wir bisher nur am Wendelstein und auf der Azzarola begegnet sind, sind ausser den erwähnten auch noch einige andere Brachiopoden (alle in nicht eben grosser Individuenzahl) vertreten, in viel höherem Grade aber fallen die ausserordentlich zahlreichen Bivalven und rasenbildenden Korallen, und neben diesen auch noch mancherlei Gasteropoden und Echino- dermen in die Augen; es finden sich ferner noch, wenngleich selten, Serpula-Arten, Bryozoen und Schwämme. Die Art der Zusammen- setzung und die Mannigfaltigkeit dieser Fauna lässt gegenüber der schwäbischen und der verarmten karpathischen Fauna auf mannig- faltige äussere, günstige Existenzbedingungen schliessen, wie sie sich auf dem Korallenrasen in der Küstenregion eines normal beschaffenen Meeres vorfinden. Die Namen der Schwämme deuten zwar auf deren Zugehörigkeit zu den Silicispongien, also zu einer in der Regel die Tiefsee bewohnenden Thierklasse hin: doch sind dieselben zu einer Zeit aufgestellt, wo noch die äussere Form, nicht genaue mikrosko- pische Untersuchung entscheidend war; und es dürfte, wie auch der hervorragendste Spongienkenner Zittel!) vermuthet, die Mehrzahl der rhätischen Schwämme zu den Calcispongien gehören. Die Ammoniten (Choristoceras) können ebensowenig wie die Pseudo -Silicispongien darauf Auspruch erheben, für die Tiefseenatur der Schichten an der Kothalp beweisend zu sein; abgesehen davon, dass überhaupt nicht sicher ist, ob der weiche Thon, in welchem sie dort vorkommen, zur karpathischen Facies zu rechnen ist, sind die betr. Reste äusserst selten und stets zertrümmert, ein Anzeichen dafür, dass einzelne Schalen hier an die Küste getrieben und an dieser zerschellt sind. Dagegen sprechen die rasen- und strauchbildenden Korallenstöcke (Thamnastraeiden, Lithodendren), welche gegenüber den Einzel-

!) Zittel, Handbuch der Paläontologie, Bd. I, S. 196.

6*F

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korallen (Montlivaultia, ? Thecosmilia) weitaus die vorherrschenden sind, in sicherster Weise für die Richtigkeit der obenausgesprochenen Behauptung, dass die reichhaltigere Abtheilung der karpathischen Facies Littoralbildung in einem Meere von gewöhnlicher Beschaffen- heit sei; und am wahrscheinlichsten ist, dass die darin enthaltenen Faunen die eines echten Korallenriffs sind. Dieser Riff- oder Korallenfacies gegenüber ist die ärmere Abtheilung der „karpathi- schen Facies‘“ diejenige, zu der auch der Typus dieser Facies in den Karpathen selbst gehört, als Brachiopodenfacies zu bezeichnen; diese entstammt vielleicht auch einer etwas grösseren Tiefe des Meeres. Von der Fauna dieser letzteren Facies aus findet nun durch weiteres Ueberhandnehmen der Brachiopoden (unter Aufnahme neuer und Ausscheidung trüherer Arten) die Ausbildung einer zweiten Brachio- podenfauna statt, und „Kössener Facies“ ist der von Suess eingeführte Name für die zweite Brachiopodenfacies des Rhät. Die Fauna der Korallfacies wandelt sich, hauptsächlich durch Unterdrückung der vielen Bivalven, in diejenige von Gümbels „Dachsteinkalk‘“ um.

C. Die Fauna der „kössener Facies“ (Suess).)

Ueber die Fauna der kössener Facies besitzen wir nur sehr spärliche Angaben, hauptsächlich deswegen, weil sie (den Himalaya ausgenommen) überhaupt erst aus den Nordalpen, und auch da nur von wenig Fundpunkten bekannt ist. Sie ist charakterisirt durch das ganz überwiegende Auftreten von Brachiopoden, unter denen zwar die der karpathischen Facies in der Regel nicht ganz fehlen, aber doch hinter neuen, z. Th. durch Grösse und Schönheit aus- gezeichneten Arten an Bedeutung weit zurücktreten; Spirigera oxy- colpos im Verein mit den Rhynchonellen (Rh. subrimosa und fissi- costata) ist es hauptsächlich, welche den besonderen Charakter der kössener Fauna bestimmt. Auch ;Spiriferen treten mitunter in den Verband ihrer Verwandten ein, Waldheimia norica scheint in der kössener Facies besonders gross und schön zu werden.

!) Der Name „Kössener Facies‘“ ist insofern nicht glücklich gewählt, als diese Facies bei Kössen nicht gesondert von den übrigen Facies zu beobachten war, und als ferner eine begriffliche Verwechselung mit den „kössener Schichten“ gar zu leicht möglich ist, welche, wie wir oben sahen, alle mergelig und thonig ausgebildeten Rhätschichten im Gegensatz zu dem thonarmen oder thonfreien „Dachsteinkalk“ umfassen.

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Petrographisch wie biologisch erinnern mich die mir bekannten Vorkommnisse der kössener Facies lebhaft an die dunkeln bis schwarzen Brachiopodenkalke des unteren Zechsteins bei Gera und Neustadt a. O., insbesondere bilden diejenigen Bänke ein älteres Analogon zu der kössener Rhätfacies, welche fast frei von andern Fossilien sind und nur Brachiopoden führen. (Es sind allerdings die Gattungen fast durchgängig verschieden, und nur Spirifer undulatus und Athyris pectinifera des Zechsteins hat in Sp. Emmrichi und Spirigera oxycolpos des Rhät einen näheren Verwandten.) Biologisch verhält sich also die kössener Facies zur schwäbischen ganz ähnlich wie die Brachio- podenkalke zu den Bivalvendolomiten im. unteren Zechstein.t)

Ich stelle in umstehender Tabelle wieder die Faunen zusammen, welche ich glaube zur kössener Facies rechnen zu dürfen.

1. Typische Fauna vom Osterhorn (Schicht b 20 nebst dem obersten Theil von a20), nach Suess u. Mojsisovics, (Glied. d. Trias).

2, Eine in meiner Privatsammlung vertretene Fauna, deren Homo- geneität mir bei der absoluten Identität aller Gesteine un- zweifelhaft ist; sie stammt von der Schwarzloferalp südlich von Reit im Winkel, von wo ich sie durch einen zuverlässigen Mann erhalten habe.

3. Fauna von der Palmwand, nach Gümbel (Geogn. Beschr. v. Bayern; d. Alpen, S. 364).

4. Fauna aus kössener Schichten der „Mergelfacies“ Sturs, von Hirtenberg, nach Stur (Geol. d. Steierm.).

5. Fauna aus kössener Schichten aus dem Helenenthal bei Baden, welche die oben (in der Tabelle der Faunen aus der karpathi- schen Facies) von demselben Fundort angeführte überlagert, nach Stur (Geol. d. Steierm.).

Spalte 6 enthält bloss die Brachiopoden der reinen kössener Facies, zusammengestellt nach Zugmayer. (Ueber rhät. Brachiop. Jahrb. k. k. geol. Reichsanst. 1880. S. 149.)

Die Fauna in Spalte 7 findet später ihre Besprechung.

Von den in dieser Tabelle aufgeführten Faunen kann als wahres Analogon der typischen Fauna vom Österhorn nur die in Spalte 2 aufgeführte gelten, alle übrigen (3, 4 und 5) müssen als Uebergänge zu der Brachiopodenfauna der karpathischen Facies gelten. Es finden

!) cf. K. Th. Liebe, Ein Bryozoenriff; Humboldt II, 7; K. Th. Liebe, Erläuternde Abhandl. zur geol. Specialkarte von Preussen etc., Sektion Neu- stadt a. O.

Natıca sp... 2 Jemen Terebratula gregaria.......... 2 pyriformie.:e...n- Waldheimia norica........... 2, austracansr

B elipeart rn:

5 diseodea Dheeideasrhaebean see Pterophloios Emmrichi ....... Thecospira Haidingeri......... Spitlter SUESSIr Rn ae. Timmrichi te: Spiriferina uncinnata.......... uncinn. var. koessenensis

» unecinn. var. austriaca... Spirigera oxycolpos........... Pi NUCHOLMISL en Rhynchonella subrimosa....... es fissicostata......

en cornigera........ Crania Starhembergensis...... Ostrea Haidingeri............. Pecten acuteauritus®......... Bimaspraeeursorn. ee Peetilezscostatan nr re

I FQUDLA N nee ee en Plicatula intusstriata..........

Ayacnla contortar. 2.0. | ss koessenensis..........

H suUDSpeeIosa..... u... Gemilliannlatare nn en Prmasenaa:, 2 Ask a Myblussmmutus. see ee Modiola Schafhäutli........... Myophoria hasica............. Cardita multiradiata.......... GidarısaCormnaliaer ine...

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sich jedenfalls in dem von Stur untersuchten Gebiet auch Schichten der reinen kössener Facies wieder, wie denn Stur in den Sammellisten zu seiner „Kalkmergel- und Mergelkalk - Facies“, vor Allem aber zu seiner „Mergelfacies“ die Fauna der kössener Facies mit aufführt; aber diese Sammellisten haben unter Sturs Händen so sehr aufgehört, Ausdruck von event. wirklich einmal in Einer Schicht auffindbaren Vergesellschaftungen von Petrefakten zu

I) Die Bestimmung der Art ist nicht ganz sicher.

der Ostalpen

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sein, dass ich es vorgezogen habe, diese Listen hier wegzulassen; enthält doch Stur’s Liste der Petrefakten aus der „Kalkmergel- und Mergelkalkfacies“ neben Spirigera oxycolpos, Spirifer Emmrichi und andern bezeichnenden Formen der kössener Facies auch die Fauna der Schicht e 18 (von der Voralp), welche ich oben als Fauna der karpathischen Facies mit Hinneigung zur schwäbischen bezeichnet habe! Die Fauna der vollständig rein ausgeprägten kössener Facies ist also als eine sehr artenarme zu bezeichnen; „verkümmert‘ darf man sie, obgleich die Artenzahl gewöhnlich sogar noch geringer ist als in der schwäbischen Facies, nicht nennen; das verbietet neben der Menge der Individuen vor Allem deren Grösse und Schönheit. Ich vermag nicht zu entscheiden, ob die Artenarmnth primär, oder ob sie nachträglich durch Auflösung der aragonitschaligen Bestand- theile der Fauna entstanden sei; es ist jedoch wahrscheinlich, dass die kössener Fauna an Orten gelebt hat, welche von vornherein für Brachiopoden besonders geeignet waren, also in tieferer See.

D. Die Fauna der Starhembergschichten.

Abgesehen von wenigen Ausnahmen schliessen sich die Starhem- bergschichten in ihrer Fauna so eng an die kössener Facies an, dass man oft eine Trennung gar nicht machen könnte, wenn nicht das Gestein und das Auftreten der in Frage befindlichen Schichten ein so abweichendes wäre. Dieselben bestehen nämlich nicht aus grauem oder schwarzem, sondern aus rothem, sehr kalkreichem Kalkmergel und lagern nie auf, sondern stets in dem Dachsteinkalk; auch sind diese Einlagerungen stets nur sehr wenig mächtig. Versteinerungen führen dieselben nur nesterweis, dann aber in grosser Menge, meist in zerbrochenem Zustand. Die einzelnen Arten habe ich in der Tabelle der kössener Faunen in Spalte 7 nach Stur (Geol. d. Steierm.) unter Berücksichtigung von Zugmayer (Brachiop. d. Köss. Sch.) auf- geführt.

Zur Erklärung der Eigenartigkeit der Starhembergschichten hat Th. Fuchs!) in neuester Zeit eine interessante Ansicht aufgestellt: er fasst den Dachsteinkalk mit Stur und anderen österreichischen Geo- logen als Korallenriffbildung auf, welche infolge eines eigenthümlichen Wachsthums, zu dem die Riffe an der brasilianischen Küste und

!) Th. Fuchs, Was haben wir unter Tiefseefauna zu verstehen etc. Verh. k. k. geol. Reichsanst. 1882, S. 55.

I SS

im Rothen Meere recente Analoga böten von Höhlungen durch- zogen gewesen sei; diese Höhlungen seien, obwohl sie sich doch nur in geringer Tiefe unter der Meeresoberfläche befänden, bis zu der sonst volles Licht dringt, doch von diesem ausgeschlossen gewesen; es.hätte sich darum in ihnen eine Brachiopodenfauna vom Charakter der Tiefseebrachiopoden ansiedeln können, weil eben das die Tiefsee- fauna bedingende physikalische Moment nicht grosser Druck oder niedrige Temperatur, sondern vorwiegend Lichtmangel sei. Auch die rothe Gesteinsfarbe glaubt Fuchs vom selben Standpunkte aus, näm- lich als verursacht durch Beimischurg der bekannten terra rossa der Korallenriffe, erklären zu können. So geistreich diese Erklärung ist, so genügt sie doch den Thatsachen nicht: allerdings kommen die Versteinerungen nesterweis vor, aber diese Nester sind kaum fussdick und flachgedrückt, während so wie ich mir die Sache vorstelle jene Höhlungen geräumiger und mit ihrer Hauptausdehnung aufrecht gestellt sind; es finden sich ferner diese Nester, soweit mir bekannt, innerhalb der horizontal weiter fortsetzenden, petrographisch gleichen Gesteinsschicht: eine Thatsache, die mit der Annahme von Höhlen als freigebliebenen Zwischenräumen zwischen üppigen Korallenbüschen nicht verträglich ist. Dazu kommt, dass die korallogene Entstehung der österreichischen Dachsteinkalke, wie ich es schon oben besprochen habe, durchaus nicht über allen Zweifel erhaben ist. Endlich sollte man auch meinen, in jenen Höhlen müsse, wie grosse Finsternis, so auch tiefe Ruhe geherrscht haben, sodass sich die ursprünglich doch fest zu- sammenhängenden Brachiopodenschalen darin auch in Zusammenhang hätten erhalten können; aber nichts von dem: nur selten finden sich unversehrt beide Klappen in Zusammenhang! So gewinnt denn eine andere Anschauung mehr Berechtigung, dass nämlich bewegtes Wasser die Kalkschalen an einzelnen Punkten zusammengeschwemmt und dabei zertrümmert habe, während die Thiere selbst bei Lebzeiten sich vielleicht in ganz anderen Meeresregionen aufhielten. Suess!) kam anfänglich zu derselben Meinung, wenn auch die Specifieirung: „durch besondere Strömungen von der muschelreicheren Küste in die hohe See hinausgetragen“ nicht als gelungen bezeichnet werden darf.?) Die Beobachtung jedoch, dass eine „weit ausgebreitete, jedenfalls an Ort und Stelle entstandene Lage einer Steinkoralle öfters die untere Grenze der Starhembergschichten bilde“, brachte ihn von dieser

1) Suess, die Brachiop. d. Köss. Schichten. 1854. 2) Die betr. Brachiopoden dürften kaum Küstenbewohner gewesen sein!

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Meinung wieder ab und veranlasste ihn, jene „Schichten eher als zu den kössener Schichten gehörige Colonien zu betrachten“. 1859 sagte er sogar im Anschluss an eine Besprechung der silurischen Colonien Böhmens: ‚Sind ja doch die Starhembergschichten wahre Colonien“.!) Ich kann mich, des Erhaltungszustandes der Schalen wegen, wie schon erwähnt, nicht mit der Ansicht befreunden, dass die Starhembergfauna an dem Orte, wo sie sich jetzt versteinert findet, wirklich gelebt habe, kann mich demnach auch, da man einen Haufen verschleppter Thierleichen unmöglich eine „Colonie“ nennen darf, letzterer Ausdrucksweise für die Starhembergfauna in ihrem Ver- hältnis zur kössener Fauna nicht anschliessen.

E. Die Fauna des oberen Dachsteinkalks („Dachsteinkalks“ Gümbel).

Ich habe schon oben nachgewiesen, wie aus der Korallenfauna der karpathischen Facies die Fauna des Gümbel’schen Dachsteinkalkes entsteht. Reichhaltige Fundorte dieser Fauna sind mir nur aus Bayern bekannt, vor Allem ist der weisse Kalk vom Hochfellen und vom Rossstein wegen seines Petrefaktenreichthums berühmt. Korallen, Gasteropoden und Brachiopoden sind es vornehmlich, welche in die Augen fallen. Erstere finden sich sämmtlich in der karpathischen Facies der kössener Schichten wieder, die Brachiopoden gehören z. Th. der karpathischen, z. Th. der kössener Facies (Spirigera oxycolpos, Rhynchonellen) an. Auffällig ist die grosse Zahl der Gasteropoden- arten, welche ich einzeln namhaft zu machen unterlassen will: in Gümbels geognostischer Beschreibung der bayrischen Alpen, ferner in Schafhäutls Lethäa von Südbayern, endlich. in Dittmars Contorta- zone sind die meisten derselben beschrieben; meist grösser als die Arten aus den andern Facies, zeichnen sie sich auch durch reichere Verzierung aus. Von Bivalven sind die Dimyarier am seltensten, doch gehört gerade zu diesen die charakteristischste von allen, die Dachstein- bivalve Conchodon infraliasicus. Die ganze Fauna macht den Ein- druck einer Rifffauna ; die morphologische Beschaffenheit des Gesteins widerspricht ebenfalls der Ansicht nicht, dass der die genannte Fauna einschliessende Kalk korallogen sei. Chorologische und stra- tigraphische Beobachtungen nach dieser Richtung hin liegen noch

I) Jahrb. k. k. geol. Reichsanst. 1859, S. 483.

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nicht in genügender Weise vor; Gümbels Angabe von „linsenförmigen Anschwellungen“ ist zu unbestimmt; übrigens theilt dieser in den bayri- schen Alpen bewandertste, eingehendste und erfahrenste Forscher die Ansicht überhaupt nicht, dass sein Dachsteinkalk eine Riffbildung sei.

F. Die Fauna der salzburger Facies (Suess).

Schliesslich ist aus dem Rhät noch eine Cephalopodenfacies hekannt, welche von Suess den Namen der salzburgischen Facies erhalten hat. Dürftig genug ist freilich die typische Fauna am Oster- horn (aus Schicht a 20): Choristoceras Marshi ist zwar in Menge vorhanden, aber nur von seltenen Aegoceras planorboides und von Avicula koessenensis begleitet.

Andere Fundorte von Cephalopoden sind nach Dittmars „Zu- sammenstellung der organischen Reste der Contortazone“: Kössen, Kammerkahr, Elbigenalp und Garmisch. Es liegen aber von diesen Orten keine Angaben vor, ob die Cephalopoden auf einen bestimmten Horizont beschränkt sind und von welchen andern Arten sie begleitet werden. Beachtenswerth scheint mir jedoch zu sein, dass an all den genannten Orten auch Spirigera oxycolpos vorkommt, also die Kössener Facies zur Ausbildung gelangt zu sein scheint, gerade wie am ÖOster- horn, wo wir ebenfalls die Cephalopodenfauna mit der Kössener Fauna in inniger Verbindung finden. Es erklärt sich diese Verbindung leicht, wenn man die Brachiopoden der kössener Facies als Tiefsee-, die Cephalopoden der salzburger als pelagische Thiere anerkennt.

Neben den hier beschriebenen ist mir kein weiterer Typus einer Rhätfauna bekannt.

G. Vertikale Reihenfolge der verschiedenen Faunen; ihr chorologisches Verhältnis; chronologischer Werth des Rhät.

Es tritt nun die nähere Beantwortung der Frage an uns heran, welches stratigraphische, oder aber chorologische Verhältnis zwischen den verschiedenen Faunen besteht, d. h. ob man ein Recht hat, die paläontologisch verschiedenen Schichten des Rhät als chronologisch verschiedene Horizonte aufzufassen, von denen jeder überall, wo er auch zur Ausbildung gelangt sein mag, demselben Zeitraum ent-

Eh Ofsun te

spricht, oder aber ob man sie nur als heteropische Aequiva- lente, die neben einander entstanden sind (und nur lokal auch manchmal nach einander), betrachten darf.

Werfen wir zuerst noch einmal einen Blick auf das Auftreten und die Verbreitung der verschiedenen lithologischen Entwickelungs- formen des Rhät! Die vorausgegangene Verfolgung des Rhät durch den ganzen Alpenzug hindurch hatte zu dem Resultate geführt, dass Mergel- und Kalk- (bez. Dolomit-) Facies sich mehr oder weniger vollständig vertreten können. Stur hatte dies in den östlichen Alpen auf das Schönste beobachten können und auch bestimmt ausgesprochen. Er hatte dabei aber sowohl die ‚„Kössener Schichten“ (Mergelfacies) als den „Dachsteinkalk“ (Kalkfacies) als chronologisch nicht weiter theil- bare Horizonte angesehen. In Bayern war ebenfalls zu beobachten gewesen, dass sich der „obere Muschelkeuper“ (Mergelfacies) und der „Dachsteinkalk“ (Kalkfacies) ebensowohl selbständig (ersterer im Westen, letzterer im Südosten vom Kammerkahr bis Berchtesgaden), als in gegenseitiger Verbindung, doch stets der „Dachsteinkalk“ über dem „Muschelkeuper“‘ (im grössten Theil der bayrischen Alpen, zwischen den ebengenannten Gebieten) entwickelt haben. In der Lombardei herrschte Uebereinstimmung mit der vorherrschenden bayrischen Ausbildung, in Ungarn war die österreichische wieder zu beobachten.

Wie nun an verschiedenen Orten verschiedene Gesteinsent- wickelungen einander vertreten, also äquivalent sind, so werden auch ist zu schliessen von den verschiedenen Faunen, die z. Th. an bestimmte Gesteinsausbildungen gebunden sind, wenigstens einige einander äquivalent sein.

Es zeigen nun die beschriebenen Faunen in der Regel ein ganz bestimmtes Lagerungsverhältnis, und zwar dasjenige, welches am Österhorn in seltener Vollständigkeit und Deutlichkeit beobachtet ist. Es folgt nämlich die kössener Fauna!) über der karpathischen, die karpathische über der schwäbischen; über das Lagerungsverhältnis der salzburger Fauna liegt nur die eine bestimmte Beobachtung vom Osterhorn vor; die Starhembergfauna tritt nur selten in Verbindung mit anderen Faunen auf, in den beiden oben besprochenen Fällen unter der kössener Facies.

I) Man verzeihe diesen und die entsprechenden kurzen, hier nicht miss- verständlichem Ausdrücke an Stelle von: „Fauna der kössener, bez. karpathi- schen etc. Facies.

og

Die Fauna von Gümbels „Dachsteinkalk“ überlagert die schwä- bische, die karpathische und die kössener Fauna.

Es ist nöthig, dass ich für das: Gesagte Belege bringe; ich gehe dabei in derselben Reihenfolge vor, wie oben in der „Dar- stellung‘.

In der Schweiz lagert Schicht b 15 mit der karpathischen Fauna über den schwäbischen Bivalvenschichten c 15 und d 15;

am Rossstein und Hochfellen die Dachsteinkalkfauna über Faunen von Mergelschichten, die mir im Speciellen nicht bekannt sind, deren Zutheilung zu der oder jener bestimmten Fauna also einstweilen noch nicht geschehen kann;

am Wendelstein fanden wir die Reihenfolge der Faunen von oben nach unten: Dachsteinkalkfauna (sehr arm) a 17; karpa- thische Korallenfauna (b 17), schwäbische Bivalvenfauna (c 17).

An der Voralp bei Altenmarkt ist leider (der saigeren Schichten- stellung wegen) die Entscheidung, was Hangendes, was Liegendes sei, zweifelhaft, doch lassen sich dort karpathische (e 15) und schwäbische Facies (h 18 u. k 18) bestimmt unterscheiden.

Bei Kirchberg ist wieder deutlich die schwäbische Bivalven- fauna (e 19 bis f 19) im Liegenden der wenigstens durch Spiriferina uncinnata angedeuteten karpathischen Fauna (a 19).

Die Reihenfolge am Osterhorn wurde oben aufgeführt.

Bei Peisching ist nach Zugmayer die Reihenfolge: wiederum zu unterst die schwäbische (e 21—h 21), dann die karpathische (d 21), darüber die Starhemberg-, endlich die kössener Fauna (a 21).

Im Helenenthal bei Baden findet sich unten eine Uebergangs- fauna zwischen schwäbischer und karpathischer, darüber ebenso ein Uebergang zwischen karpathischer und kössener Fauna.

Bei Hirtenberg lagert die kössener Fauna (in noch nicht ganz reiner Entwickelung) über Dachsteinkalk mit Starhembergschichten.

In der Lombardei endlich hat Stoppani ebenfalls die schwäbische Fauna in den schistes noirs marneux als das Liegende der karpathi- schen in den couches de l’Azzarola erkannt.

Stoppani hat in seiner Pal&ontologie lombarde auch aus der Provence noch einige Profile beschrieben, in welchen die karpathi- schen Brachiopoden die schwäbischen Bivalven überlagern.

Dies sind, soweit mir bekannt, die einzigen bisher veröffent- lichten Beobachtungen über Aufschlüsse des Rhät, in denen mehrere verschiedene Faunen deutlich über einander vorkommen. Da sie sich aber über den ganzen langen Alpenzug vom äussersten Westen bis

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in den äussersten Osten ausdehnen und alle in demselben Sinne zu sprechen scheinen, so wird man zuerst geneigt, der oben aufgeführten bestimmten Faunenfolge einen allgemeineren Werth beizulegen; min- destens scheinen die schwäbische und karpathische Facies, über welche die meisten Beobachtungen vorliegen, in paläontologischer und zumeist auch petrographischer Verschiedenheit und regelmässig (wie es scheint) auftretender Ueberlagerung in bestimmter Ordnung „nach den herrschenden Anschauungen alle erforderlichen Requisiten zu besitzen, um als selbständige, altersverschiedene Glieder unter besonderen Benennungen in die Formationentafel eingereiht werden zu können“.!)

Es würde für dieselben der Ausdruck „Facies‘“ dann aber nicht mehr richtig sein; denn in seiner ursprünglichen Anwendung be- zeichnet derselbe Schichten, welche trotz paläontologischer und in der Regel auch petrographischer Verschiedenheit als gleichzeitige Bildungen anerkannt werden müssen, also heteropische äquivalente Schichten.?) Nach verschiedenen Gesichtspunkten (organischer Inhalt, litholo- gische Beschaffenheit, Ort der Entstehung) lassen sich zwar weiter biolo- gische (z. B. Cephalopodenfacies), lithologische (z. B. Kalksteinfacies) und chorologische Facies (Littoral-, Tiefsee- etc. Facies) unterscheiden und ist es vielleicht sogar angezeigt, den Namen „Facies“ nur auf eine dieser drei Kategorien zu beschränken, für die andern aber andere Ausdrücke einzuführen; jedenfalls aber dürfen nur gleich- zeitig gebildete Schichten einander als Facies gegenübergestellt werden. In neueren Schriften begegnet man freilich häufig auch An- wendungen des in Frage stehenden Ausdrucks, bei denen der Begriff der gleichzeitigen Bildung, sowie auch der Begriff, dass Facies Schichten sind, ausser Acht gelassen wird, und man sich der eigentlichen Bedeutung von facies, d. i. öwıs, Aussehen, Habitus, an- nähert; sagt man z. B. „die Cephalopoden- oder die Kalksteinfacies reicht in einer bestimmten Gegend durch die Zonen’ des Ammonites planorbis und des A. angulatus hindurch“, so versteht man unter „Cephalopoden- (bez. Kalkstein-) Facies“ das durch Cephalopoden (bez. Kalkstein) bestimmte Aussehen, Gepräge der Fauna (bez. des Schichtenmaterials). Es ist nöthig, die eine von den beiden An-

I) Dieser Passus im Allgemeinen (nicht in seiner speciellen Anwendung auf das Rhät) stammt von Mojsisovies (Dolomitriffe von Südtirol und Venetien, S. 12).

2) Mojsisovics empfiehlt (ibid.) sogar, und mit Recht, diesen Ausdruck auf isomesisch-isotopische, heteropische Aequivalente zu beschränken.

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wendungen des Wortes „Facies“ aufzugeben, und zwar empfiehlt es sich, die ursprüngliche beizubehalten.

Ist dies festgestellt, so würde, wie erwähnt, die Bezeichnung der durch die schwäbische, karpathische und kössener Fauna charakteri- sirten Rhätschichten als „schwäbische, karpathische, kössener Facies“ nicht die richtige sein, wenn diese Faunen chronologisch verschiedenen Horizonten angehören,

Es bleibt uns demnach übrig, nachzuweisen, welchen chronolo- gischen oder aber chorologischen Werth jene Schichten besitzen.

Zu beachten ist hier nun der Satz von Mojsisovics!): „Die Thatsache der Ueberlagerung für sich allein reicht zur geologischen Altersbestimmung nicht aus.“

Da finden wir denn eine Anzahl von Thatsachen, welche für geologische Gleichzeitigkeit der verschiedenen beschrie- benen Rhätfaunen sprechen und zwar:

1. die grosse Menge der Arten, welche je zweien dieser Faunen gemeinsam sind;

2. einige, wenngleich im allgemeinen seltene Fälle, wo das ganze Rhät durch eine einzige biologische Facies vertreten ist, oder wo zwei Faunen mit einander wechsellagern oder eine in die andere colonieartig eingelagert ist.

Bezüglich des ersten Punktes brauche ich wohl nicht weiter specielle Nachweise zu führen, schon eine oberflächliche Vergleichung der oben gegebenen Tabellen genügt, um sogleich gemeinsame Arten in grosser Anzahl erkennen zu lassen. Diese Zahl ist mitunter so gross, dass, wie wir sahen, Uebergangsfaunen vorkommen, bei denen die Zutheilung zu der einen oder andern reinen Fauna willkürlich ist. Es zeigt sich auch, dass die zwischen den verschiedenen Faunen bestehenden Unterschiede nicht auf einer etwa stattgehabten, im Laufe der Zeit eingetretenen Umwandlung einzelner Arten beruhen, sondern auf einer Verschiedenheit im Gesammthabitus, welche das ist von vornherein wahrscheinlich durch die Verschiedenheit des ehemaligen Wohnorts der Thiere hervorgerufen ist.

In Bezug auf den zweiten Punkt sind aber folgende Thatsachen von entscheidendem Werth: An manchen Orten ist durch das ganze Rhät nur eine einzige Fauna zu finden, so in ganz Deutschland nur die schwäbische Bivalvenfauna (in einem Aufschluss mehr durch die, in einem andern mehr durch jene Arten vertreten), ebenso in den

1) ibid. 8. 18.

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österreichischen Voralpen und am Wengenalpkopf in Bayern. Im Gebirge von Homonna kann ich nur die karpathische Fauna erken- nen. An andern Orten treten innerhalb derselben Grenzen (d. h. zwischen den Schichten der Zonen der Avicula exilis und des Ammonites planorbis) zwei verschiedene Faunen über einander auf: so in dem Profil aus der Schweiz und von der Voralp die schwäbische und die karpathische, bei Hirtenberg die karpathisch -kössener Uebergangs- und die Starhemberg-Fauna; an der Kammerkahr scheint nach den mir bekannten Versteinerungen nur die kössener und salzburger Fauna entwickelt zu sein. Am Wendelstein, im Eipelgraben, in der Lombardei theilen sich drei Faunen in den Raum, den anderwärts eine oder zwei inne hatten: die schwäbische, die karpathische und die obere Dachsteinkalk-Fauna. Am Osterhorn haben wir endlich gar vier Faunen in demselben Gesammtschichtencomplex!

Schon auf Grund dieser Thatsachen, trotz ihrer geringen An- zahl, fühlt man sich genöthigt, die gleichzeitige Existenz der ver- schiedenen Faunen neben einander anzunehmen. Es bleibt aber immer noch eine Thatsache übrig, welche vollständig überzeugend sein muss: und das ist das colonieartige Vorkommen einer Fauna in Schichten, welche ihrer Hauptsache nach eine andere Fauna ein- schliessen. Als Beispiele hierfür lassen sich anführen: die Colonie von schwäbischen Bivalven in karpathischen Brachiopodenschichten am Österhorn, die Einlagerung der salzburger in die kössener Facies ebenda, endlich das Profil vom Hohen Traithen bei Bayrisch -Zell, welches Gümbel'!) beschrieben hat: dort finden sich in den 22, von diesem Forscher unterschiedenen Schichten ganz vorwiegend Bivalven der schwäbischen Facies (Gervillia inflata, Cardita austriaca, Leda etc.), in einzelnen zerstreut eingelagerten Schichten aber (6., 9., 14, 15. Schicht) treten auch die für die karpathische Facies charakteristi- schen Plicatula intusstriata (Ostrea obliqua Gümb.) und Spiriferina uncinnata auf: also Colonien der karpathischen in Schichten der schwäbischen Fauna. So selten diese Thatsachen auch sind, so sind sie doch nicht nur vollkommen hinreichend, sondern am werthvollsten von allen, welche überhaupt zum Beweis für die gleichzeitige Exi- stenz zweier Faunen angeführt werden können, weil sie sich nicht anders erklären lassen als durch die Annahme, diese Faunen hätten im Allgemeinen neben einander gelebt, und es hätte sich zeit- weise, wenn in dem einen Gebiet die äussern Verhältnisse für die

I) Gümbel, Geogn. Beschr. d. bayr. Alpen, S. 375.

eine Fauna ungünstiger, für die zweite dagegen günstiger wurden, letztere sich, nach Aussterben der ersten, über deren Gebiet aus- gebreitet und sei, nach Wiederherstellung der ursprünglichen Ver- hältnisse von der verdrängten ihrerseits wieder verdrängt worden. Ist die Verschiedenheit der beiden in Frage kommenden Faunen durch die Tiefendifferenz des Meeres an den Wohnorten dieser Faunen be- dingt, so sind Wechsellagerungen und colonieartige Einlagerungen wie die beschriebenen, leicht aus säcularen Senkungen oder Hebungen des Meeresbodens zu erklären, durch welche das Gebiet der einen Fauna in das Niveau und damit die physikalischen Verhältnisse der anderen gebracht wurde.

Die durch den ganzen Alpenzug nachgewiesene, die Regel bildende Folge der Faunen in derselben Weise wie am Österhorn, von welcher mir nur die wenigen, aber höchst wichtigen, aufgeführten Ausnahmen bekannt sind —, erklärt sich dann durch eine während der Rhätzeit über das ganze Alpengebiet mit wenigen und kurz- dauernden Unterbrechungen gleichsinnige Bodenbewegung und zwar nach abwärts, da man ebenso berechtigt ist, die kössener und salz- burger, am Osterhorn zu oberst lagernde Fauna als Tiefsee-, bez. pelagische Fauna zu bezeichnen, wie ich für die schwäbische, zu unterst liegende eine littorale Lebensweise nachgewiesen habe, und wie für die mittlere, karpathische, ihrem Habitus entsprechend, auch eine mittlere Meerestiefe wahrscheinlich ist.

Wir kommmen also nochmals zu dem Resultate dass das ge- sammte Rhät nur Bildungen einer einzigen Entwickelungs- phase inder Erdgeschichte darstellt, weil die von Suess unter- schiedenen „Facies“ wirklich nur chorologisch, und in Verbindung damit paläontologisch und z. Th. auch petrographisch verschiedene Aequivalente sind, und ihre für einzelne Lokalitäten durch Ueber- einanderlagerung angezeigte Altersverschiedenheit, nach absolutem Zeitmass, doch nicht die Dauer der niedrigsten geologischen Zeiteinheit, d. i. einer Zone, überschreitet.

Wir erinnern uns, dass wir bei Betrachtung des deutschen Rhät zu demselben Resultat gekommen sind: auch bei diesem hatten wir die drei Abtheilungen des Bivalvenrhät als chorologisch ver- schiedene, gleichzeitige Bildungen kennen gelernt, deren biologischer Unterschied nur nicht die Grösse dessen zwischen den verschiedenen Faunen der alpinen Facies erreicht.

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Wenn dem aber so ist, dass die „Rhätformation“ oder die „rhä- tische Stufe“ nur aus einer einzigen Zone besteht, so würde es, da die benachbarten Formationen oder Stufen je aus mehreren, z. Th. nicht wenigen Zonen zusammengesetzt sind, eine gar zu ungleich- mässige systematische Formationengliederung sein und falsche An- schauungen über die geologische Bedeutung des Rhät hervorrufen, wenn man letzterem ganz allein den Werth einer Stufe zuerkennen, es also mit vielzonigen Stufen coordinieren wollte.

Da wir nun oben!) vom chorologischen Standpunkte aus eine nähere Beziehung des Rhät zum Jura als zur Trias haben anerkennen müssen, so ist, will man die Contortazone nicht allein stehen lassen, eine Vereinigung derselben mit liasischen Zonen naturgemässer als mit triadischen, eine Vereinigung, wie sie, freilich z. Th. auf Grund ungenügender Thatsachen, von Stoppani und französischen Geologen zuerst vorgeschlagen und ausgeführt worden ist, und man wird sich mit Mojsisovies?) in dem Schlusssatze vollkommen einver- standen erklären können: „Vom chorologischen und historisch- geographischen Standpunkte wäre der „Infralias“ eine ziemlich natürliche europäische Gruppe, welche an die Basis des Jurasystems gestellt werden müsste“, Zu diesem Infralias sind dann die drei Zonen der Avicula conturta, des Ammonites planorbis und des Ammonites angulatus zu vereinigen.

1) Vergl. 8.77 f. ?) Mojsisovies, Dolomitriffe von Südtirol und Venetien, 8. 73.

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